Gleis

Wie plant man eine Kombi aus Bar und Bühne, wenn das Gebäude noch gar nicht steht? Julia Vögeli und Lou Lipp haben es geschafft. Herausgekommen ist das Gleis.

Julia Vögeli und Lou Lipp wünschten sich in Zürich eine Lokalität, die Kulturtreffpunkt und Bar zugleich ist. Nicht zu teuer sollte sie sein und zugänglich für Leute, die auch mal spontan etwas veranstalten wollen. Im Gleis hat das Duo dieses Konzept – das entstand, während das Gebäude noch gar nicht gebaut war – nun realisiert: Als Teil der drei Baugenossenschaftsgebäude an der Zollstrasse steht direkt neben den Gleisen die Mischung aus Bühne und Bar.

Julia Vögeli lag eines Sommertages gemütlich in einer Zürcher Frauenbadi in der Sonne, als ihr Handy klingelte. Eine fremde Nummer … Normalerweise geht sie da nicht ran, doch diesmal machte sie eine Ausnahme, einfach so. Es war die für Vermietungen im Zollhaus zuständige Person. Im was? Julia wusste nichts vom geplanten Riesenprojekt im Kreis 5, wie auch: Die drei zusammengehörigen Gebäude waren ja noch gar nicht da. «Ich sagte, schicken Sie bitte alles per E-Mail», erzählt sie und lacht.

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Was ihr geschickt wurde, war die Ausschreibung eines öffentlichen Wettbewerbs: Ein Gastrobetrieb an den Gleisen sollte entstehen und dafür wurden Konzepte gesucht. «Ich empfand Freude und Stress gleichzeitig. Zu Hause zeigte ich die Unterlagen Lou und wir beschlossen: Das probieren wir.» Das Paar entwarf innert drei Tagen ein Konzept und bewarb sich. Der Titel ihrer Idee: Gleis.

Café, Bar und Bühne.

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Und Gleis heisst es heute denn auch: ihr Café, das auch eine Bar ist. Eine Bar, die auch eine Bühne ist. Und eine Bühne, auf der zeitweise eben auch Cafétische stehen. Im Gleis folgt eine lustige Lesung auf eine feministische Ausstellung, ein nachmittägliches DJ-Set auf Yoga-Stunden, ein Regenbogen-Anlass auf einen Fussball-Abend. Es ist nicht leicht, dieses offene Kulturzentrum zu beschreiben. Aber es ist leicht, dort anzukommen. Denn dass sich alle willkommen fühlen, steht für Julia Vögeli und Lou Lipp im Zentrum. Sie führen den Betrieb gemeinsam, zusammen mit einem achtköpfigen Team.

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«Wir mussten uns die Dimensionen vorstellen von dem, was gerade entstand.»

Bei der Planung und dem Aufbau des Betriebs war eine riesige Herausforderung zu meistern: Während Julia, Lou und ihre Helfer*innen am Lokal arbeiteten, gab es dieses noch gar nicht. Das Gebäude, das 2021 so viele unterschiedliche Räume zu beherbergen begann, wurde gebaut, während noch seine Innereien geplant wurden. Ein abstraktes Unterfangen.

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«Plötzlich konnten wir, sobald wir in ein Restaurant oder eine Bar kamen, nicht mehr aufhören, Leute und Quadratmeter zu zählen», erzählt Julia. «Wir studierten die Höhe der Decken und versuchten, uns die Dimensionen von dem vorzustellen, was gerade entstand.» Hinzu kam, dass in der ersten Phase coronabedingt nur der Terrassenbereich geöffnet war. «Der vollständig eingerichtete Innenbereich wurde in den ersten drei Monaten nicht benutzt. Leute guckten ihn an wie ein Museum.»

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«Wir bieten das an, was wir selbst gern mögen, und das, was Zürich braucht.»

Ein Museum der unterschiedlichen Einrichtungsstile ist zumindest der Innenraum: Das gesamte Mobiliar stammt aus zweiter Hand, über ein Jahr hinweg über Online-Plattformen gesammelt. Das, zusammen mit der verspielten Deko, verleiht dem Betonbau eine ordentliche Portion Behaglichkeit. Der Bartresen steht im Mittelpunkt und zu trinken gibt es keine etablierten Cocktails, sondern Eigenkreationen – bezahlbare noch dazu, das war dem Betreiberinnen-Duo wichtig. Und mit dem liebsten Grapefruit-Softgetränk der beiden.

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Die Getränke- und die wechselnde Snackkarte sind eher klein und bewusst liebevoll-bestimmt. «Ein Teil ist das, was wir selbst gern mögen, ein Teil ist das, was Zürich braucht», sagt Lou. Unter anderem ist das Gleis zudem eine Plattform für verschiedenste Menschen, die spontan eine Veranstaltung auf die Beine stellen oder die experimentieren wollen.

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Die Kombi aus Bühne und Bar ist jetzt ganz real und nicht mehr abstrakt – doch die Gestaltung ist nach wie vor offen. Denn manchmal bringen Gäste selbst Gegenstände mit, die aus ihrer Sicht ins Gleis passen, und manchmal sind es sogar gleich ganze Ideen.

Adresse

GLEIS
Zollstrasse 121
8005 Zürich
Zollhaus, Haus A, 1. Obergeschoss
+41 44 545 86 57
Website

Öffnungszeiten

Dienstag bis Donnerstag, 10–24 Uhr
Freitag und Samstag, 11–2 Uhr
Sonntag, 11–20 Uhr