Stadt & Geschichte | Züri-Song

«Die Fans wollten uns in den See werfen»

Aufgezeichnet: Philipp Anz

Mitten während des Kalten Krieges veröffentlichte Baby Jail den Song «Rapperswil ZH». Er ist noch heute einer ihrer grössten Hits – und löste 1988 sogar eine Unterschriftensammlung aus. Bandgründer Boni Koller erinnert sich zurück.

Der Song «Rapperswil ZH» stammt noch aus der Zeit des Kalten Krieges, als es immer hiess: «Gönd doch uf Moskau!», und die Gefahr im Osten verortet wurde. Ich habe das auf die Schweiz heruntergebrochen, um mich über den Kantönligeist lustig zu machen, und dann ist der Osten eben St. Gallen. In der Schule hatten wir auch gelernt, dass 1656 einst die Zürcher Rapperswil belagert hatten, aber nicht einnehmen konnten.

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«Neuzugezogene gebärden sich oft im Nu als die wahren Grossstädter.»

Als der Song fertig aufgenommen war, sind wir 1988 mit einem Traktor und der Band auf einem Anhänger von Zürich nach Rapperswil gefahren, um am Hafen ein illegales Konzert zu spielen. Dort haben wir «Rapperswil ZH» als Flexi-Disc verteilt und in Briefkästen geschmissen, dazu ein Flugblatt mit dem Titel «Kantonaler Vorstoss für ein freies Zürcherisches Rapperswil!» und eine Unterschriftensammlung für den Kantonswechsel. Am Konzert waren vielleicht fünfzig Personen – darunter einige Medienvertreter*innen. Damals waren Separatismus und die Verschiebung von Kantonsgrenzen noch ein Thema, etwa durch die Jura-Frage. Eingeschickte Unterschriften haben wir danach vielleicht zehn erhalten. Wir meinten es ja auch nicht ernst, und es war sicher eine gute Werbung für Baby Jail als Band, wir hatten bis dahin noch nicht einmal ein ganzes Album veröffentlicht.

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Natürlich ist es auch ein Züri-Song, sogar mit Stadtrundgang: «Lauf emal dur d’Bahnhofschtrass vom See bis zum Paradeplatz, wiiter über d’Münschterbrugg, as Bellevue und dänn wider zrugg, merksch es bald, dass öppis schtört, öppis wo weh tuet, wämmers ghört, bliibsch am Bürkliplatz mal schtah, ghörsch überall so helli ‹A› …», das habe ich noch im Rückenmark, das musste ich so oft singen. Aber auch das war nicht böse gegen die St. Galler oder deren Dialekt gemeint, sondern eher als Beispiel, dass sich Neuzugezogene oft im Nu als die wahren Grossstädter und grössten Lokalpatrioten gebärden. Und manchmal tun sie das dann, wie im Lied erwähnt, als beflissene Kontrolleure, Schalterbeamte oder Polizisten.

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Unsere Fans haben das alles ebenfalls nicht falsch verstanden, und es gab lustige Reaktionen: Am Uferlos-Festival in Rorschach wollten sie uns einmal in den Bodensee schmeissen. Das war mitten im Hochsommer, aber wir mussten uns doch freundlich widersetzen, weil wir nicht in tropfnassen Kleidern ein ganzes Konzert spielen wollten. Auch hatten wir immer mal wieder Leute im Publikum, die beim Song fleissig St. Galler Fahnen geschwenkt haben.

«Das Lied hat überdauert.»

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Das Lied gehört sicher zu den beliebtesten von Baby Jail und hat überdauert. Manchmal auch mit überraschenden Wendungen: Als 2013 St. Gallen Gastkanton am Sechseläuten war, bekam ich plötzlich einen Anruf vom Zunftkomitee, ob sie den Refrain «D’Sanggaller schtönd scho z’Rapperswil» benutzen dürften. Ich habe Ja gesagt, sie druckten dann Plastikfähnchen mit dem Slogan. Das Lied live in einer Zunftstube zu singen – das habe ich aber dankend abgelehnt.

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Boni Koller war Gründer und Texter von Bands wie Baby Jail, Schtärneföifi und Allschwil Posse. Neben dem Duo Linx&Lechz ist er heute vor allem als Autor tätig. Zuletzt erschienen von ihm die Verse für «Globi und Roger».

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