«Die Geschenke zeigen den Flüchtlingen, dass sie willkommen sind»

Text: Eva Hediger

«Züri schenkt» heisst die Aktion, die Julius Scheidt mit Alex und Yagmur Stöckl zum dritten Mal durchführt. Das Ziel? Jeder der 1000 Flüchtlinge im Raum Zürich soll ein kleines Weihnachtsgeschenk erhalten. Dabei gehe es nicht nur um den materiellen Wert, sagt Julius.

Ihr sammelt für die Flüchtlinge in und um Zürich Geschenke: Erwachsene erhalten Schal, Kappe, Handschuhe und ein Deodorant, Kinder Mütze, Farbstifte und ein Spielzeug. Sind das die dringendsten Wünsche?

Wir haben den Inhalt der Geschenke mit der Asylorganisation AOZ abgesprochen. Sie hat in den Flüchtlingsunterkünften mit den Leuten gesprochen. Im ersten Jahr haben wir nur Notizbücher, Kugelschreiber und Hygieneprodukte verschenkt. Die Aktion war damals eher spontan und wir wussten nicht, ob wir die Geschenke überhaupt zusammenbringen: Am Schluss hatten wir jedoch über 500 Spenden – doppelt so viele, wie wir eigentlich gebraucht hätten. Weil es so gut geklappt hat, haben wir uns 2017 getraut, etwas teurere Produkte zu wünschen.

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Wieso hast du «Züri schenkt» 2016 lanciert?

Ich sass kurz vor der Weihnachtszeit mit meiner Frau Janina Waschkowski in einem Café. Wir diskutierten darüber, dass wir uns stärker für Flüchtlinge einbringen möchten. Wieso nicht mit Geschenken? Wir gingen dann auf die Asylunterkunft Halle 9 zu und haben mit den Verantwortlichen überlegt, was die Leute dort brauchen. Der Grundgedanke ist aber nicht, dass wir sie mit dem Allernötigsten versorgen.

Sondern?

Wir möchten die Flüchtlinge in der Schweiz willkommen heissen und ihnen unsere Traditionen näherbringen. Sie brauchen das Weihnachtsfest selbstverständlich nicht mitzufeiern, aber sie können es so miterleben, wenn sie möchten. Uns geht es auch darum, ihnen durch die Aktion Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, die sie im Alltag leider oft nicht bekommen. Es ist wirklich schön zu sehen, wie sehr sich die Bevölkerung mit der Aktion auseinandersetzt. Die Leute nehmen sich Zeit, ein Geschenk zu kaufen und es einzupacken. Fast alle schreiben  noch eine kleine Karte. Auf diesen stehen teilweise sehr persönliche Botschaften.

«Die Leute nehmen sich Zeit, ein Geschenk zu kaufen und es einzupacken. Fast alle schreiben noch eine kleine Karte.»

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Hast du einen Tipp, wie das Geschenk besonders gelingt? Schliesslich ist es schwierig, den Geschmack einer komplett fremden Person zu treffen.

Da möchte ich ungerne einen Ratschlag geben. Ich finde, dass es beim Schenken darum geht, etwas zu geben, das man selbst schön findet. Dann wird es sicher auch eine andere Person freuen. Die Kärtchen können auf Deutsch oder Englisch geschrieben werden. Es findet sich in den Unterkünften immer jemand, der es notfalls übersetzen könnte.

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Ihr liefert die Geschenke kurz vor Weihnachten an die Unterkünfte. Wie reagieren die Bewohner auf euch?

Sie merken sofort, dass irgendetwas Besonderes passiert. Viele helfen mit und verstauen die Geschenke. Ausgepackt werden sie ja erst an Weihnachten. Die Leiter der Unterkünfte haben uns aber geschrieben, dass sich die Bewohnerinnen und Bewohner total über die Gaben gefreut haben. 

«Das Gefühl verpufft nicht direkt nach Weihnachten.»

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Wie reagierst du auf die Kritik, dass eine solche Weihnachtsaktion die Lage der Flüchtlinge längerfristig nicht verändert?

Wir führen die Aktion bereits zum dritten Mal durch – es ist also keine einmalige Sache. Aber natürlich kann «Züri schenkt» die Situation nicht stark verändern. Doch in den Unterkünften treten die Flüchtlinge oft zum ersten Mal mit der Schweiz und der Bevölkerung in Kontakt. Die Geschenke zeigen ihnen, dass sie willkommen sind. Dieses gute Gefühl verpufft nicht direkt nach Weihnachten.

Julius (links), du wohnst mittlerweile in Berlin. Planst du dort eine ähnliche Aktion?

Ich hatte es eigentlich vor. Doch ich bin dieses Jahr nochmals Vater geworden, bin umgezogen und habe eine neue Stelle angetreten. Auch möchte ich gerne erst herausfinden, ob hier die Flüchtlinge die richtige Zielgruppe sind – oder vielleicht andere Personen wie Obdachlose mehr Aufmerksamkeit benötigen. In Zürich wird «Züri schenkt» aber sicher weitergehen. Wir haben nämlich gemerkt, dass die Leute sehr hilfsbereit sind – auch wenn sie manchmal einen Anstoss brauchen.

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Infos

Die Sammelaktion läuft noch bis zum 18. Dezember. Die Päckli können im Restaurant Barranco an der Sihlfeldstrasse 141 sowie an den Standorten der «Gärtnerei» abgegeben werden. Insgesamt werden tausend Geschenke benötigt. Genauere Infos zum gewünschten Inhalt der Päckli findest du hier.