«Alphornspielen ist Hochleistungssport»

Thomas Troll spielt an den verschiedensten Ecken der Stadt Alphorn – darunter auch auf dem Bürkliplatz. Doch bald müssen die Zürcher auf die urchigen Klänge verzichten. Denn den Strassenkünstler zieht es nach New York und Kanada.

Thomas Troll spielt auf dem Bürkliplatz Alphorn. Mitten in der Grossstadt wirkt die urchige Musik exotisch. Eine Tracht trägt Thomas nicht, aber die typischen Trauffer-Holzkühe sind neben dem Spendenhut drapiert. Eine ältere Dame steht schon eine Weile vor dem Strassenmusiker. Sie wippt leicht im Takt der Musik und summt verträumt die Melodie mit. Nach dem Stück geht sie zum Hut, lässt ein paar Münzen hineinfallen und bedankt sich. Als Thomas gerade für die Pause zusammenräumt, steht plötzlich ein kleiner Junge neben ihm. Entschlossen streckt er Thomas einen Fünffränkler entgegen, den er vorher vor seinem Grossvater erhalten hat.

«Dabei war das Ganze doch nur als Gag gedacht!»

«Auf der Strasse muss ich immer präsent sein und das Publikum sofort überzeugen. Sonst habe ich keine Chance», sagt Thomas. Er ist seit vielen Jahren Strassenkünstler – mal tritt er als Musiker auf, dann als lebende Statue. Der ausgebildete Schauspieler hat die Leidenschaft für Strassenkunst zufällig in Berlin entdeckt. Mit seiner damaligen Freundin ersetzte Thomas in einem Park zerstörte Statuen: Das Paar stellte sich auf die leeren Sockel und übernahm die Rollen der Steinfiguren. Bereits am nächsten Tag meldete sich die Presse bei ihm und erkundigte sich nach weiteren Vorstellungen. «Dabei war das Ganze doch nur als Gag gedacht!», erzählt Thomas. Er zeigt einen Berliner Reiseführer aus den 90er-Jahren: Der Schauspieler ziert das Cover mit weissem Statuen-Kostüm und Schminke.

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Vor etwa 15 Jahren erbte Thomas von seinem Grossvater ein originales Holzalphorn. «Ich wusste erst gar nicht, was ich mit dem riesigen Holzknebel soll», erinnert er sich. Er nahm das Instrument in die Familienferien ins Tessin mit. Nach vielen misslungenen Versuchen verstaute er das Alphorn frustriert im Wohnwagen. Doch dann hörte Thomas eines Morgens plötzlich Alphornmusik. Er stiess auf dem Campingplatz auf einen Mann, der mit seinem eigenen Instrument einen Morgensegen spielte. Der Bläser wusste von Thomas’ Alphorn und forderte ihn auf, mitzuspielen. «Als ich ihm gestand, dass ich nicht wüsste, wie, meinte er entsetzt: ‹Was? Du besitzt ein Alphorn, aber kannst es nicht spielen?›» Der Mann war Leiter des Alphornvereins Tessin und wurde Thomas’ erster Lehrer. Noch immer übt Thomas viel. «Alphornspielen ist für die Lippen ein Hochleistungssport», so der Musiker.

Vor etwa 15 Jahren erbte Thomas von seinem Grossvater ein originales Holzalphorn.

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Das vererbte Alphorn besitzt Thomas heute nicht mehr. Er musiziert auf einem leichten Carbon-Horn, dass sich problemlos auseinanderbauen lässt. Thomas hat ganz Europa bereist. In Zürich spielt er beispielsweise am Weihnachtsmarkt im Hauptbahnhof. Erlaubnis für andere Orte zu erhalten, sei schwieriger geworden, so Thomas. Doch am See sei das Musizieren noch erlaubt.

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Im Herbst wird er gemeinsam mit seiner Frau nach Kanada auswandern. Das Alphornspielen wird er jedoch nicht aufgeben. Er hat bereits recherchiert, wo seine Strassenkunst überall willkommen ist. Und auch für die geplante Reise durch die USA packt er sein Alphorn ein: Thomas will in New York zwischen den Wolkenkratzern auftreten. Er schwärmt: «Das muss unglaublich klingen.»

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