LGBT-Kolumne | Menschen & Leben

Der «Wer ist die beste Frau»-Wettbewerb

Kolumne: Anna Rosenwasser

Einmal im Monat schreibt Anna Rosenwasser, wie sie in Zürich lebt und liebt. Im Juni erklärt die LGBT-Aktivistin und Autorin, wieso «Du bist anders als die anderen Frauen» nur vermeintlich ein Kompliment ist.

Liebe Leserin. Ist es dir auch schon mal passiert, dass du einem Typen gegenübergesessen bist auf einem Date, oder ihr seid spaziert oder vielleicht habt ihr auch nebeneinandergelegen – jedenfalls wart ihr da und er sah dich an und sagte: «Du bist anders als die anderen Frauen»? Er sagte es so, dass es eindeutig ein Kompliment war? Und du hast dich gefreut? Weil du dich ein bisschen besonders gefühlt hast in diesem Moment?

Ich kenne das auch. Mir ist das auch schon passiert. Vermutlich ganz vielen. Vielen Frauen wird gesagt, sie seien anders als die anderen Frauen.

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Aber: Wenn der Satz als Kompliment gemeint ist, was sagt das dann über die anderen Frauen aus? Dass sie schlechter sind? Hässlicher, weniger schlau, weniger cool? Oh Boy, du beziehst dich hier auf einen Wettbewerb, für den wir uns gar nie angemeldet haben. Den «Wer ist die beste Frau»-Wettbewerb. Wenn jemand mit allerliebsten Absichten sagt, eine Frau sei «anders als all die anderen Frauen», dann sagt er ja eigentlich: Ich mag dich, weil du besser bist als sie. Ich weiss, dass das meistens nicht bewusst so gemeint ist. Aber unbewusst eben doch.

Für diesen Wettbewerb hat sich keine Frau freiwillig angemeldet.

Ich sehe schon die Leser, die schimpfen: So ist es nicht gemeint! Die Feministin versteht extra alles falsch! – Aber lasst mich erklären.

Eine Frau zu sein in dieser Welt, das ist eben tatsächlich ein «Wer ist die beste Frau»-Wettbewerb. Jede andere Frau wird zu deiner Gegnerin gemacht. Das Ding ist: Die wenigsten Frauen haben sich jemals selbst zu diesem Wettbewerb angemeldet. Das waren alles Fremd-Anmeldungen. Ich habe mich nie angemeldet dafür, dass ich schöner, schlauer und erfolgreicher sein muss als andere Frauen, und erst recht habe ich mich nie registriert für die Jury, die täglich auswertet, wie gut oder schlecht ich abschneide. Denn: Frau kann nur verlieren. Du hast Akne? Die Jury ruft: Schminken, die anderen Frauen sind schöner als du! Du fängst an, eine Leidenschaft fürs Schminken zu entwickeln? Die Jury poltert: Tussi, die anderen Frauen sind viel natürlicher als du! Du setzt dich mit der Natur auseinander und gehst an Klima-Demos? Zu politisch, die anderen Frauen sind viel lockerer!, ruft die Jury, ohne dass sie irgendwer danach gefragt hätte.

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Doch es gibt einen Ort, an dem aus Konkurrentinnen Freundinnen werden.

Ohne dass Frauen jemals darum gebeten worden wären, 24/7 bewertet und gegeneinander ausgespielt zu werden, passiert genau das. Man macht uns zu Konkurrentinnen, statt dass wir etwas viel Cooleres sein könnten: Verbündete.

Manchmal, nachts gegen zwei Uhr, auf einer Frauentoilette im Club, fangen fremde Frauen plötzlich an, Spontanfreundinnen zu werden. Sie komplimentieren ihre Outfits, trösten sich gegenseitig über das aktuelle Drama hinweg, machen Selfies und einander Liebesbekundungen. Das klingt jetzt mega oberflächlich – weil irgendwann beschlossen wurde, dass Outfits und Selfies etwas Oberflächliches sind –, aber interessant dabei ist doch: Die Jury hat keinen Zutritt zur Damentoilette. In dem Moment, in dem niemand rufen kann: Ihr seid Konkurrentinnen! Bekämpft euch! Es kann nur eine geben!, in dem Moment verbünden wir uns.

Darum, liebe Leserin: Das nächste Mal, wenn ein Typ dir sagt, du seist anders als andere Frauen, frag doch mal zurück. Warum, wie sind denn andere Frauen? Und hör gut zu, was er antwortet.