LGBT-Kolumne

Für Menschen statt Geschlechter

Kolumne: Anna Rosenwasser

Einmal im Monat schreibt Anna Rosenwasser, wie sie in Zürich lebt und liebt. Im August will die Geschäftsführerin der Lesbenorganisation Schweiz, dass wir ausnahmsweise das Thema Toilette ernst nehmen.

Glaubt mir, ich würd liebend gern über etwas anderes als Toiletten schreiben. Über den feinsten Drink der Stadt oder darüber, wie überbewertet Dachterrassen sind. Aber erstens ist das hier eine LGBT-Kolumne, und zweitens ist es gerade dringend. Man könnte sagen: S’pressiert. Ich schreibe deshalb über Toiletten. Und natürlich schreibe ich über genderneutrale Toiletten.

Ich werde den Eindruck nicht los, dass es in den Diskussionen rund um genderneutrale Toiletten ganz viele Missverständnisse gibt. «Die sind für die Transgender!», sagen einige, «damit nicht nur Frauen und Männer, sondern auch Transgender aufs WC können!» Das klingt, als wären trans Menschen alle ein drittes, neues Geschlecht. Und es klingt auch, als hätte uns nie jemand in der Schule beigebracht, was trans Menschen eigentlich sind. Was stimmt. Es wird uns nämlich nicht beigebracht. Kurz erklärt, sind trans Frauen einfach Frauen. Und trans Männer einfach Männer. Tatsächlich gibt es trans Menschen, die weder noch sind, oftmals identifizieren sie sich als nicht-binär.

Wir denken: Oh mein Gott, chillt’s mal, es sind ja bloss WCs.

Keine Ahnung, wie’s euch so geht. Aber als ich noch keine Ahnung vom Thema trans hatte, dachte ich, die Anzahl trans Menschen in der Schweiz liesse sich an einer Hand abzählen. Mittlerweile weiss ich, es sind voll viele – wir hören ihnen einfach nicht gut genug zu. Wir denken: Oh mein Gott, TOILETTEN, chillt’s mal, es sind ja bloss WCs.

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Das denken wir darum, weil WCs für uns noch nie ein Problem waren. Würde mich jedes Mal, wenn ich auf ein öffentliches WC gehe, irgendein Löli darauf hinweisen, ich sei imfall falsch, oder mir gegenüber sogar aggressiv werden, würd ich schon längstens für sichere Toiletten kämpfen! Aber es ist halt schwierig, uns vorzustellen, dass ein Thema wichtig und ernst sein kann für die eine Gruppe, wenn es für uns alltäglich und auch ein bisschen lustig ist.

Deshalb müssen wir für einmal das Thema Toiletten voll ernst nehmen. Zuhören, wenn Aktivistinnen und Aktivisten verlangen, dass es geschlechtsneutrale WCs geben soll in Zürich. Ich find die Vorstellung auch nicht mega geil, an brünzelnden Dudes vorbeispazieren zu müssen auf dem Weg zur Kabine, und ich würd im Plaza auch gern einen einzigen Raum haben mit Frauen- statt Männerüberschuss. Aber diese Sorgen sind so, so viel unbedeutender als die Angst, belästigt und bedroht und aus der Toilette rausgeschmissen zu werden, jeden Tag.

Ich find die Vorstellung auch nicht mega geil, an brünzelnden Dudes vorbeispazieren zu müssen.

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Übrigens sind trans Menschen nicht die Einzigen, für die die traditionelle Aufteilung der Männer- und Frauentoiletten nicht immer funktioniert. Betreuungspersonen von alten Menschen, solchen mit Behinderung oder von Kindern sind ebenfalls froh, wenn jedes WC einfach für Menschen statt für Geschlechter ist. Sie haben nicht immer das gleiche Geschlecht wie die Person, die sie gerade begleiten – und das ist dann in der Herren- UND in der Frauentoilette awkward.

Die Toiletten, die wir am häufigsten benutzen, sind eh genderneutral.

Und weisch was? Die Toiletten, die wir am häufigsten benutzen, sind eh genderneutral. Aus Versehen, quasi. Es sind die Toiletten in unserem eigenen Zuhause. Oder hat sich irgendjemand schon mal zwei WCs leisten können in einer Stadt, wo Wohnen allein schon drei Monatslöhne und das Erstgeborene kostet?

Ich bin froh, wenn Zürichs Toiletten endlich für alle zugänglich sind, dann kann ich wieder von spassigeren Dingen schreiben. Apropos: Der beste Drink der Stadt heisst One Million Dollar Shake und meine Lieblings-Dragqueen heisst Mona Gamie. Die Überbewertung von Dachterrassen lass ich jetzt mal weg. Sonst hassen mich wieder alle in dieser Stadt.