Endstation

Seebach – Badespass und Spelunken

Die Linie 14 endet in Seebach. Früher war das Quartier bei den Städtern verhasst. Heute bietet es mehr, als viele denken – zum Beispiel eine exotische Überraschung sowie ein Freibad, das die ganze Saison geheizt wird.

Seebach hatte nicht immer den besten Ruf. Als sich die Seebacher Bevölkerung im letzten Jahrhundert um eine Eingemeindung in die Stadt Zürich bemühte, wurde dieses Ansinnen von den Zürchern abgelehnt: Sie wollten keine armen Aussenquartiere aufnehmen. Es wurde kolportiert, dass es in Seebach in einer Schulklasse bis zu hundert Kinder hatte. Dass es 34 «Spunten» gebe, in denen man Wein und Schnaps bekommt. Rolv, ein heutiger Bewohner von Seebach, kennt Anekdoten von Frauen, die ihre Gatten am Zahltag aus den Lokalen schleiften. Seit jener Zeit würden die Löhne nicht mehr bar ausbezahlt, sondern sicherheitshalber auf Konten überwiesen.

Wie die meisten Aussenquartiere wird auch Seebach unterschätzt.

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Nicht nur der Ruf von Seebach war schlecht, sondern auch der Boden: Sumpf, Moor. Auch dort, wo jetzt die wunderschöne Badi steht – die Seebacher konnten sich nur knapp über Wasser halten. Vieles lag im Argen. Auch später trat das Aussenquartier meist nur durch Negativschlagzeilen in Erscheinung.

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Aber wie die meisten Aussenquartiere wird auch Seebach unterschätzt. Seebach, wo die Schauspiellegende Bruno Ganz aufgewachsen ist und lange gelebt hat. Wo H. R. Giger, der Schöpfer der filmhistorischen Alien-Figuren, gewerkt hat. Und wo das SRF zu Hause ist. Die Räumlichkeiten des Fernsehsenders gehören nämlich nicht zu Oerlikon, wie viele fälschlicherweise meinen, sondern zu Seebach. «Auch das Oerlikerhuus steht in Seebach», amüsiert sich Rolv, der mit dem heutigen Zürcher Justizvorsteher und früheren Stadtgeografen Richard Wolff Führungen durch das Quartier gemacht hat. Rolv weiss von einem Schild in der Ausfahrt von Glattbrugg, auf dem Zürich gestanden habe und in Klammern Oerlikon – was später in Seebach geändert wurde.

Seebach liegt in der engsten Kurve der Schweizer Bahn. Von der Friesstrasse geht es in die Schaffhauserstrasse, die durch das ganze Quartier führt. Die Friesstrasse solle man sich mal am Wochenende «geben», empfiehlt Rolv. Das sei ein einziges Schaulaufen von getunten «Chärrä» auch aus den benachbarten Kantonen Aargau und Thurgau.

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Seebach ist ein Produkt der «Roten Stadt» und des damaligen Stadtarchitekten Albert Heinrich Steiner. Nach dem Ersten Weltkrieg herrschten wirtschaftlich schwierige Zeiten. Die Zürcher lebten mitunter in Mietskasernen, die Hygiene stellte ein Problem dar. Der «Steiner-Plan» sah vor, dass es den Bürgern wieder besser gehen sollte und sie sich auch selber versorgen könnten. Zur Quartierplanung gehörte deshalb, dass in jedem Garten je zwei Obstbäume standen. Der Plan gab den in den 1930er-Jahren gegründeten Genossenschaften vor, wie sie zu bauen hatten.

Auch heute erstellen die Genossenschaften neue Wohnhäuser. Alle 30 Jahre ist eine Anpassung an die geänderten Bedürfnisse der Menschen fällig. Die Häuser werden dabei komplett neu gebaut – eine Sanierung wäre kostspieliger. «Die Stadt braucht mehr Wohnflächen, weil sie mehr Steuerzahler braucht», weiss Rolv. Sozial zu sein, sei teuer. In den kommenden Jahren werden alle baugenossenschaftlichen Bauten komplett ersetzt.

Seebach ist ein Produkt der «Roten Stadt».

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Die Umgebung um den Katzenbach – er ist mit sieben Kilometern der längste offene Bach der Stadt Zürich – wurde in einem Quartierentwicklungsprozess vor 20 Jahren aufgewertet: Die Beleuchtung wurde ersetzt, eine Treppe zum Wasser gebaut. Das Wasser hat der Katzenbach, der vorher Seebach hiess und der Gemeinde den Namen gab, ursprünglich vom Katzensee. Heute trägt er Wasser aus verschiedenen Entwässerungsrohren der Umgebung. Eine Skulptur ziert die Gegend – sie ist von der Landesausstellung 1964. Man wusste nicht, wohin sonst damit.

Der Katzenbach ist mit sieben Kilometern der längste offene Bach der Stadt Zürich.

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Von überall kommen die Leute her, um am Katzenbach zu spazieren. Zum Katzensee hin. Oder zur schönen Badi. Das Wasser dort ist immer 24 bis 26 Grad warm, wegen der Beheizung durch das benachbarte Kehrichtheizkraftwerk Hagenholz.

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Ein architektonischer Hingucker von Seebach ist das Schulhaus Buhnrain, ganz in der Tradition der Moderne und der Philosophie des Meisters Le Corbusier. Es ist eines der ersten Betonhäuser dieser Art in der Schweiz.

Seebach hat auch ganz Exotisches zu bieten.

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Auch die Flarzhäuser sind eine Besonderheit von Seebach. Im letzten Jahrhundert hatten sämtliche Bewohner Anrecht auf die damalige Allmend. Alle durften eine Kuh haben. Mit der Zeit führte die Nutzung der Allmend zu einer Überbelegung, sodass den Bürgern ein Baustopp auferlegt wurde. Um diesen zu umgehen, bauten sie einfach an den bestehenden Häusern an.

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Wenn man in Seebach einfährt, fällt einem ein weiteres Haus auf, das irgendwie nicht in die Gegend passt. Es ist ein schönes, leicht heruntergekommenes Haus. Früher soll es eine Bank gewesen sein und in der Innenstadt gestanden haben. Stein für Stein soll es dann nach Seebach gezügelt worden sein. Wieso, weiss auch Rolv nicht.

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Und etwas ganz Exotisches hat Seebach auch noch aufzuweisen: ein Elefantenhaus. 1928 gründete die Gemeinde einen Tierpark mit Elefanten, Krokodilen und Raubtieren – nur hatte sie wenig Ahnung davon, wie man so einen Park führt. Einmal soll sich ein Elefant unglücklicherweise auf den Gleisen zwischen den Bahnschranken verirrt haben und von einem Zug erfasst worden sein. Der Quartiermetzger Berchtold habe sich dann um das Tier gekümmert.

Adresse

Seebach
8052 Zürich

Infos

Das 14er-Tram verkehrt zwischen Triemli und Seebach. Für diese Strecke benötigt das Tram ungefähr 41 Minuten. Zum Fahrplan geht’s hier.