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Ein Biest mit Herz und Seele

Bilder: Locarno Film Festival

In ihrem neuen Film «Soul of a Beast» steckt die Zürcherin Ella Rumpf in einer Dreiecksgeschichte fest. Der Film wurde am Filmfestival Locarno, das am letzten Samstag zu Ende ging, mit dem Preis der Ökumenischen Jury ausgezeichnet.

«Ich war von dieser Geschichte so begeistert, dass ich kaum zu lesen aufhören konnte. Dieses Universum hat mich richtig mitgerissen», erzählt Ella Rumpf in Locarno mit leuchtenden Augen. Der Film, von dessen Drehbuch sie spricht, wurde inzwischen realisiert, hier uraufgeführt und lief im Internationalen Wettbewerb: «Soul of a Beast» von Regisseur und Drehbuchautor Lorenz Merz. Am Schluss des Festivals wurde er von der Internationalen Jury mit einer Special Mention bedacht und von einer anderen Jury, der Ökumenischen, als Gewinnerfilm auserkoren. Der Preis ist mit 20’000 Franken dotiert und wird von der Evangelischen Kirche und der Römisch-katholischen Kirche der Schweiz zur Verfügung gestellt.

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Regisseur und Drehbuchautor Lorenz Merz

Hier und jetzt ist alles möglich.

Ella Rumpf spielt im Film Corey, die sich während des elektrisierenden Rauschs eines Sommers in den besten Freund ihres Freundes verliebt – Gabriel, einen jungen alleinerziehenden Vater. Dieser wird vom Newcomer Pablo Caprez gespielt, der wie Merz und Rumpf Zürcher Wurzeln hat. Doch das ist nicht die einzige Verbindung zur Limmatstadt – in seinem zweiten Spielfilm zeigt Merz diese so, wie sie vielleicht noch niemand auf der grossen Leinwand gesehen hat: wild und berauschend, ein wahrlich ungezähmtes Biest. Ob mitten im pulsierenden Langstrassenquartier, im Strudel der Fontäne auf dem See, an der Kalkbreite, im Binz-Areal oder nachts im Zürich Zoo – die Stadt sprüht in fluoreszierenden Farben nur so vor Energie. Der Film spiegelt das Lebensgefühl einer jungen Generation in dem unbedingten Bewusstsein – so sagt es Corey in einer Szene –, dass es keine Zeit gibt und alles möglich ist.

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Für die 26-jährige Schauspielerin muss es eine besondere Erfahrung gewesen sein, wieder in ihrer Heimatstadt zu drehen. Vermutlich hat sie früher die gleichen Hotspots besucht wie im Film. Ella Rumpf wurde 1995 als Tochter eines Schweizer Physiotherapeuten und einer französischen Dozentin in Paris geboren. Die Eltern lernten sich an der Sorbonne kennen. Aufgewachsen ist Ella danach zweisprachig im Oberstrass-Quartier. Geradlinig war ihr Weg anfangs nicht: Die Schule verwirrte sie, ein Psychiater diagnostizierte ein Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom. Die Eltern entschieden sich deshalb dafür, sie in die Atelierschule zu schicken, die Mittelschule der Zürcher Rudolf-Steiner-Schulen. Hier blühte sie auf und spielte Theater, was auch ihre Lust an der Schauspielerei wachsen liess.

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Mit 14 Jahren meldete sich Ella im Büro der erfolgreichen Zürcher Casterin Corinna Glaus an, die schon andere junge Schauspieler*innen zu Shooting Stars gemacht hatte. Mit 16 bekam sie ihre erste Minirolle in einem Kinofilm, und schon zwei Jahre später – direkt nach ihrem Abschluss – erhielt sie einen grösseren Part in Simon Jaquemets «Chrieg». Darin spielt sie – mit kahlgeschorenem Kopf – die Problemjugendliche Ali, die auf einer Alp resozialisiert werden soll. Doch das Vorhaben scheitert und die Teenager übernehmen die Macht auf dem Berg. Diese erste grosse Rolle brachte ihr auf Anhieb eine Nomination für den Schweizer Filmpreis als beste Nebendarstellerin ein.

«Der Film hat Bodenhaftung und gleichzeitig verliert man sich in traumwandlerischen Bildern.»

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Es folgten Rollen als Kannibalenschwester in «Raw» (2016) und als selbstbewusst-kämpferische Amazone in «Tigergirl» (2017). Zuletzt spielte Ella 2020 in der auf Netflix zu sehenden Miniserie «Freud» das Medium Fleur Salomé. All ihren Figuren verleiht sie in ihrem Spiel ein ungeheures Charisma und ein unerschöpflich wirkendes Mass an Energie und Kraft. Für «Soul of a Beast», so Ella Rumpf, habe sie sich nicht auf die Art und Weise vorbereitet, wie sie das normalerweise tut – sie habe mehr intuitiv gehandelt, sich «von den Dingen nähren und das Leben geschehen lassen». Der Film habe eine Ernsthaftigkeit, eine Bodenhaftung, und gleichzeitig verliere man sich in den traumwandlerischen Bildern, sagt sie. «Soul of a Beast» ist voller Herz und Seele. So wie Ella Rumpf.