«Je weniger ich besitze, desto freier fühle ich mich»

Interview: Laura Hohler Fotos: Christian Schiller

Alan Frei ist Mitgründer eines Online-Sexshops und Minimalist. Wir haben mit dem Zürcher über die Gründe für seinen Lebensstil gesprochen – und ihn gefragt: Auf was könnte er niemals verzichten?

Alan, wie bist du Minimalist geworden?

Als mein Vater vor einigen Jahren gestorben ist, mussten wir unser Elternhaus komplett ausräumen und stiessen dabei auf Bilder, Statuen und Skulpturen, die dort jahrzehntelang herumgestanden sind. Beim Aufräumen habe ich bemerkt, dass ich diese Gegenstände vorher gar nicht mehr wahrgenommen hatte.

Wieso?

Wenn es keine Veränderungen gibt, blendet das Gehirn gewisse Dinge automatisch aus. Das war für mich augenöffnend. Ein weiterer Grund, der mich zu meinem minimalistischen Lebensstil geführt hat, war Andrew Hyde, ein Freund von mir aus den USA. Mit bloss 15 Dingen reiste er um die Welt. Das hat mich nachdenklich gemacht und schliesslich dazu veranlasst, ebenfalls minimalistisch zu leben.

«Wenn ich etwas brauche, habe ich kein Problem, es mir zu kaufen.»

Wie viele Gegenstände sind optimal für dich?

Momentan besitze ich 115 Gegenstände, so um die 120 sind optimal für mich.

Fehlt dir manchmal etwas?

Ich benutze zwar den Begriff Minimalist, doch ich bin eher ein Optimierer. Mir geht es nicht darum, möglichst wenig zu besitzen. In erster Linie ist es mir wichtig, mein Glück zu maximieren. Und umso weniger Dinge ich besitze, desto mehr Freiheit und Zeit habe ich. Wenn ich etwas brauche, habe ich kein Problem, es mir zu kaufen. Aber es fehlt mir überhaupt nichts im Moment.

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Dein Lebensstil bereitet dir also nie Probleme?

Nein, absolut gar nicht. Ich bin kein Dogmatiker oder Missionar, ich betreibe diesen Lebensstil lediglich für mich. Sollte mir irgendetwas fehlen, müsste ich es ja nicht tun.

Worauf kannst du keinesfalls verzichten?

Auf mein Smartphone. Ich lebe ja nicht wie ein Mönch, sondern bin ein aktiver Teil dieser Gesellschaft, darum auch das Smartphone. Ich bin mir aber durchaus bewusst, dass das Handy auch negative Aspekte hat, wie zum Beispiel die dauernde Erreichbarkeit oder dass man die Fähigkeit verliert, sich länger zu konzentrieren.

Beeinflusst der Minimalismus auch dein Sozialleben? Kannst du zum Beispiel deine Freunde daheim bewirten?

Ich bin ein sehr sozialer Mensch, aber mein Leben findet mehrheitlich draussen statt. So gehe ich zum Beispiel gerne in Restaurants. Wenn mich aber Freunde besuchen kommen, bringen sie oft ihre eigenen Teller mit, was zu total spannenden Gesprächen führt, weil sich komplett andere Themen anbieten.

«Ich lebe ja nicht wie ein Mönch, sondern bin ein aktiver Teil dieser Gesellschaft.»

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Wie hat dein Umfeld auf deinen Lebenswandel reagiert?

Anfangs dachten sich viele, dass das wieder eine meiner Phasen sei. Vielleicht wurde ich auch etwas belächelt. Doch heute merke ich, dass mein Lebensstil auf viele meiner Freunde abgefärbt hat.

Wofür gibst du dein Geld am liebsten aus?

Reisen und Essen. Ich kaufe mir quasi Erlebnisse und Erinnerungen.

Wie stehst du der Konsumgesellschaft gegenüber?

Ich stehe der Konsumgesellschaft überhaupt nicht kritisch gegenüber. Mein Lebensstil ist weder ökologisch noch eine Form der Konsumkritik. Ausserdem bin ich der Ansicht, dass die Leute durchaus selber entscheiden können, was sie kaufen sollen und was nicht. Ich denke auch nicht, dass heutzutage mehr konsumiert wird, sondern einfach anders als früher.

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