Endstation

Kienastenwies – noch nie gehört?

Lange Zeit hatten die Bewohner von Witikon keine direkte Verbindung in die Stadt. Doch seit dem Dezember 2017 endet dort die Linie 31. Wer bei der Endhaltestelle «Kienastenwies» aussteigt, fragt sich: Wem gehört das Haus mit den imposanten Stier-Verzierungen?

Am Sonntag, 10. Dezember 2017, um 4.30 Uhr steuerte Marc Pfenninger seinen 25 Tonnen schweren Doppelgelenkbus «Longo 2» aus der Busgarage Hardau zur Jungfernfahrt in Richtung Witikon.

Vor diesem Morgen erreichte man Witikon 71 Jahre lang nur ab dem Klusplatz mit der Buslinie 34. Es war noch das einzige Stadtquartier ohne direkten Stadtanschluss. Das war besonders für die älteren ÖV-Benutzer ein Ärgernis: Witikon ist Standort diverser Pflegeheime, Altersheime und -siedlungen.

Auf 621 Meter über Meer am Südfuss des Adlisbergs hat man eine schöne Sicht auf die Alpen. Noch.

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2017 fuhren bis zu 6500 Personen täglich von und nach Witikon. Es brauchte zahlreiche Vorstösse und Petitionen der Bevölkerung, bis schliesslich ein runder Tisch von Vertretern der VBZ und von Quartierbewohnern eine Einigung brachte. Die Liniennummer 34 wurde aufgehoben, die Strecke des 31er ab Hegibachplatz verlängert. Das Stadtzentrum konnte fortan ohne Umsteigen erreicht werden.

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Beinahe 40 Minuten dauert die Fahrt mit dem 31er-Bus fast durch ganz Zürich, vom ehemaligen Arbeiterquartier Aussersihl vorbei an der Bahnhofstrasse und dem Zürcher Hauptbahnhof über das Kunsthaus. Auf der Reise lässt man andere Endhaltestellen hinter sich, die Stadt und den See sieht man im Panorama.

Witikon, nördlich von Zollikerberg und östlich von Hirslanden, ist das höchstgelegene Quartier der Stadt. Auf 621 Meter über Meer am Südfuss des Adlisbergs hat man eine schöne Sicht auf die Alpen. Noch. Denn im 31er-Bus fährt man bis Kienastenwies an zahlreichen abgesteckten Landflächen vorbei. In Witikon wird trotz hohem Bodenpreis gebaut.

Unter Kienast versteht man eine aus harzigem Holz der Föhre angefertigte Fackel.

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Die Bezeichnung verdankt Kienastenwies dem Familiennamen eines ehemaligen Bewohners und dass er dort eine Wiese, die heutige «Chienastenwies», besass. Ähnlich wie die Endhaltestelle Holzerhurd, die ihren Namen von einem Mann namens Holzer hat, der einen Hurd – einen geflochtenen Zaun – um sein Grundstück errichtet hatte. Unter Kienast – das Wort ist auch der Flurname – versteht man auch eine aus harzigem Holz der Föhre angefertigte Fackel.

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Den Weg kurz vor Kienastenwies säumen abgesteckte Landflächen, auf denen bald neue Siedlungen entstehen werden. Die Bauaktivitäten seien mit ein Grund für die neue Endhaltestelle gewesen, meint ein Landwirt auf seinem Traktor. Er ist einer der wenigen Menschen, die man auf dem Spaziergang durch das Quartier antrifft. Ansonsten sieht man nur ein paar Mütter mit ihren Kindern auf dem Spielplatz zwischen Siedlungshäusern, eine Joggerin im Wald – und ein Reh.

Es sei nicht der Zürichberg, meint der Landwirt. Aber die Leute, die hier wohnen, seien nicht gerade arm. Die Bevölkerung sei gut durchmischt. So stehen neben Einfamilienhäusern auch Wohnblocks, eine Genossenschaft hat eine Siedlung gebaut. An der Waldgrenze finden sich weitere Baustellen.

Schlimmer als in Südamerika sei es, unhaltbar. So tönte es, als die verlängerte Buslinie der Nummer 31 in Betrieb genommen wurde.

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An einem Haus entdeckt man auf Säulen stehende Stierfiguren. Es gehört Justus Dahinden. Der mit etlichen Preisen ausgezeichnete Zürcher ist einer der bekanntesten Architekten der Schweiz – und vermutlich der bekannteste Bewohner des Quartiers. Mittlerweile lebt der bald 94-Jährige nicht mehr selbst im Haus, sein Sohn hat es übernommen.

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Schlimmer als in Südamerika sei es, unhaltbar. So tönte es im Dezember 2017, als die verlängerte Buslinie der Nummer 31 in Betrieb genommen wurde. Grund für den Unmut der Passagiere waren die Verspätungen der Busse, welche in Stosszeiten bis zu 40 Minuten betrugen. Diese entstanden mitunter wegen zahlreicher Baustellen auf der Strecke und des Fehlens von Busspuren. Dass der Bus ausserhalb der Stosszeiten dann im Minutentakt kam, interessierte die wenigsten. Da gleichzeitig die neue Verkehrsführung für die Trams über die Hardbrücke eröffnet wurde, geriet die neue Endhaltestelle jedoch in Vergessenheit.

Adresse

Kienastenwies
8053 Zürich

Infos

Die Reisezeit des 31er-Buses vom Farbhof bis nach Kienastenwies dauert ungefähr 45 Minuten. Zum Fahrplan geht’s hier.