Essen & Trinken | In der Beiz

«Le Torchon Bleu» – frischer als jeder Lieferdienst

Ein Team von Spezialist*innen für regionale und langsame Küche hat «Le Torchon Bleu» ins Leben gerufen. Das blaue Tuch, mit dem die Gründer ihre heissen Schmortöpfe aus dem Ofen holen, steht für Gerichte mit Fleisch aus artgerechter Haltung und Schlachtung.

Auch nach Monaten geschlossener Restaurants bin ich mit Lieferdiensten oder Take-away buchstäblich nicht warm geworden. Essen, das über Kilometer hinweg transportiert wurde, schmeckt mir einfach nicht: Die in den Packungen entstehende Staufeuchtigkeit verändert die Texturen, die Lieferzeit die Temperaturen und natürlich auch die Aromen.

Also koche ich – ausser, ich bin abends alleine. An einem solchen Abend im Februar kaufte ich eine Packung Ravioloni al Brasato vom Label «I Sapori d’Italia», das in exklusiver Aufmachung bei Coop vertrieben wird (500 g CHF 7.95). Die Idee mag abartig wirken – doch es gab Gründe. Ausserdem sah die Ware in der Packung gut aus. Wenn es jedoch stimmt, dass man mit diesen Produkten die Aromen von Italien erlebt, dann schmeckt Italien nach halb getrocknetem Knochenleim und einer Kräutermischung, die im Lager nach dem Wischen am Freitagabend aufgesammelt wurde. Nicht mal die integral dazu gekippte Flasche Veltliner half (Essenza, Tenuta Scerscé). Erschüttert – und zugegebenermassen sehr spät – sah ich auf der Rückseite der Packung nach, was das überhaupt für ein Brasato sei. «Rindfleisch- und Schweinefleisch-Erzeugnis», stand da zu lesen. Ich weinte Tränen, bitterer als jeder Artischockenlikör.

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Das sind Delivery-Produkte, die man wirklich geniesst.

Tags darauf hatte ich dann in der Inbox eine Nachricht, die dieses schlimme Erlebnis fast vergessen machte: Marius Frehner vom Restaurant Gamper, Markus Burkhard vom leider geschlossenen Jakob in Rapperswil und seine Partnerin Flavia Hiestand sowie Thomas Hauser (ex Löweneck, Zürich) haben «Le Torchon Bleu» gegründet und garantieren mit ihrem guten Namen Delivery-Produkte, die man tatsächlich essen kann. Das Kerngespann Frehner/Burkhard hat sich einst im Restaurant Clouds kennengelernt, kehrte aber dieser Art von gehobener Gastronomie bald den Rücken. Marius Frehner: «Damals spürten wir, dass wir eine authentische Küche suchten. Dafür steht der Torchon Bleu, das blaue Tuch, mit dem die Köche heisse Schmortöpfe anfassen, wenn sie sie aus dem Ofen nehmen.»

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Die Schmorküche ist nachhaltig, aber verlangt viel Wissen.

Man kann es nicht oft genug sagen: Wird ein Tier geschlachtet, ist das anfallende Fleisch nur zu einem kleinen Teil zum Kurzbraten geeignet (Filet und Entrecôte plus ein paar Nebenschauplätze). Der grössere Teil des Fleisches wird entweder zu Burger-Patties oder muss über Stunden hinweg sanft weichgeschmort werden. Und Schmorküche ist zwar die beste, verträglichste, nachhaltigste Küche, wenn man denn überhaupt noch Fleisch konsumiert. Aber auch die, die nach der meisten Kompetenz verlangt.

Das Viererteam von Le Torchon Bleu bezieht sein Fleisch vom Demeter-Bauernhof von Kurt Brunner und Reto Hunziker in Hallwil. Die Tiere werden zwei Dörfer weiter ohne fiesen Transport durch die halbe Schweiz geschlachtet, zuständig ist Metzger Rufer aus Schlossrued. Im Gegenzug ist nicht immer jedes Produkt unbeschränkt verfügbar. «Unser Traum ist eine Épicerie, ein Laden, in dem wir hervorragende Produkte verkaufen können, wie sie verfügbar sind.»

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Den Sachzwängen moderner Wertschöpfungsketten möchte man sich bei Le Torchon Bleu gerne entziehen. Das ist nicht simpel. Bei Angeboten rund um Fleisch, das nicht aus einer industriellen Schlachtung stammt, ist die intakte Kühlkette das grösste Problem. Le Torchon Bleu arbeitet hier mit PicoBio zusammen, einem traditionsreichen Pionier-Anbieter von Bio-Produkten, der heute zahlreiche Gaststätten, Quartierläden und Gemeinschaftsküchen beliefert. «Wenn man wie wir einmal mit hochwertigem Fleisch gearbeitet hat, kann man nie mehr zurück zum Angebot der Cash+Carry-Märkte», sagt Marius Frehner. Frehner wie Burkhard, die ich im Gamper zum Gespräch getroffen habe, haben festgestellt, dass die Kund*innen sich im Umgang mit ihren Produkten nicht viel zutrauen. «Viele Leute kochen wirklich kaum mehr ganze Gerichte selbst zu Hause.» Es wäre schön, wenn sich mit dieser Initiative auch daran etwas ändern würde.

Die Essen von Le Torchon Bleu stellt man selbst fertig.

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Ich habe das Gulasch (siehe unten) und die Hühnerbouillon getestet und war sehr happy. Und ja, natürlich sind die Produkte von Le Torchon Bleu keine klassische Delivery-Option und auch nichts, das man heiss mit nach Hause nimmt. Es handelt sich bei den Gerichten gewissermassen um Halbfabrikate, die zum Fertigstellen noch ein Minimum an Flair brauchen oder die man – wie im Fall der Bouillon – als Ersatz für industriell hergestellte, konservierte Produkte wie Bouillonwürfel oder paste verwendet. Die Produkte von Le Torchon Bleu sind auch nicht billig. Aber man erinnere sich der eingangs erwähnten Ravioloni mit irgendeinem Erzeugnis unbekannter Herkunft drin – die waren es noch viel weniger. Wer mit solchen Produkten vier Leute verpflegen möchte, kommt ebenfalls auf Beträge, wie man sie für ein grosses Glas Siedfleisch oder Gulasch aus der Küche von Le Torchon Bleu bezahlt. Aber gut schmecken tut das beileibe nicht zwingend. Wer bei Le Torchon Bleu kauft, unterstützt überdies unmittelbar nicht nur die Zürcher Gastronomie, sondern auch nachhaltig arbeitende Bauern und eine Schlachtkultur, die dem Tier im Gegensatz zum Tod auf dem Industrieschlachthof mehr Würde lässt.

So habe ich mein kleines Glas Gulasch verwendet (280 g, CHF 21.– für vier Personen):

  • 2 grössere Kräuterseitlinge aufschneiden und ohne Fett in der beschichteten Pfanne leicht anbräunen, mit einem Esslöffel weissem Balsamico ablöschen.
  • Pfanne vom Kochfeld nehmen und das Gulasch hineingeben, auf kleiner Hitze langsam aufwärmen, einen halben Dezi Rahm dazugeben.
  • Pilze und Rahmgulasch in eine Schüssel geben, Pfanne kurz auswischen. 500 g Gnocchetti (aus dem Beutel, von Annas Best) in einem Esslöffel Butter kräftig anbraten, bis sie auf mindestens einer Seite knusprig sind.
  • Das Rahmgulasch mit den Pilzen zu den Gnocchetti in die Pfanne geben. Kurz umrühren.
  • Gnocchetti mit Gulasch auf einer Tavolata-Platte anrichten und servieren. Etwas flachen Peterli dazugeben.
  • Für zusätzliche Farbe und Frische könnte man noch eine Handvoll Babyspinatblätter und halbierte Datteltomaten dazugeben. Ein Esslöffel geriebener Parmigiano rundet die Sache perfekt ab.

    Dieses feine und sättigende Dinner ist innert 20 Minuten auf dem Tisch. Le Torchon Bleu ist erhältlich im Restaurant Gamper und bei Züri-Hawker.