Essen & Trinken | In der Beiz

Das Kohlrezept vom Profi

Kolumne: Hans Georg «HG» Hildebrandt Fotos: William Schäppi

Schwarzkohl und Federkohl haben Saison und sind gesund. Unser Gastro-Kolumnist hat eine ganze Weile an einer Zubereitungsart geschraubt, bis es ihm schmeckte – hier ist sie. Ah ja: Zuerst muss man das Gemüse ja kaufen.

Auch im Januar mache ich jeden Samstag einen Marktbummel auf dem kürzlich renovierten Marktplatz von Oerlikon. War er letzten Sommer noch ein unwegsamer Kiesplatz, strahlt er nun in neuem Glanz; der Besuch ist auch bei Regen und Kälte genussvoll. Ausserdem herrscht bis zwölf Uhr mittags Betrieb und so ist der Markt auch für Spätaufsteher geeignet.

Bevor wir uns ans Kochen machen, hier meine Einkaufstipps. Für extrafrischen, garantiert regionalen Salat gehe ich gern zu Steffi Schröder (Wettstein Gemüse). Steffi verkauft nur selbst gezogene Ware. Wer bei ihr einkauft, kann gar nicht anders als saisonal kochen.

Es wäre toll, mehr junge Leute beim Einkaufen an den Ständen anzutreffen.

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Praktische Gemüsemischungen für Suppen und frisch gehobelten Salat vom Spitzkabis kaufe ich am Stand von Pfisters. Drum herum ein schönes Sortiment von teils ebenfalls selbst gezogener oder gut zugekaufter Ware. Wir haben unsere Kohl-Bilder am Stand von Pfisters gemacht. Vis-à-vis gibt’s schöne Blumen, der Stand gehört zum gleichen Familienbetrieb.

Unverzichtbar ein Besuch am Stand von Toni Rossetti: rare Gemüse aus Italien – wenn man früh genug ist, gibt’s fertig zubereitete Puntarelle (Blattzichorie) –, weisse Zwiebeln, Mangold, und alles zuverlässig in erlesenster Qualität.

Beide Fisch-Stände haben meistens regionale Fische im Angebot für alle, die rechtzeitig antreten. Öfters ist Hecht zu finden – meiner Meinung nach der beste Süsswasserfisch.

Es lohnt sich auch ein Gang durch die Querstrasse, wo einige kleinere Anbieter ihre Stände haben. Der Marktbummel ist für mich etwas vom Schönsten, das man regelmässig machen kann – es wäre toll, mehr junge Leute beim Einkaufen an den Ständen anzutreffen. Und damit zum Essen.

Ab Ende Dezember finden sich an den Ständen mehrheitlich nur noch Knollengemüse und Artischocken, konkurrenziert von Schwarzkohl und Federkohl – alles wirkt ein bisschen arm und gar nicht sexy.

Jetzt finden sich an den Ständen mehrheitlich nur noch Knollengemüse und Artischocken.

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Über die Jahre hinweg habe ich mir eine Kohl-Zubereitung zurechtgelegt, die sogar meinem Nachwuchs einigermassen schmeckt. Federkohl und Schwarz- oder Palmkohl wachsen in der Region und kosten wenig, sie sind nur etwas nervig in der Zubereitung. Es ist jedoch die Mühe wert, denn blätteriges Grünzeug hat zu Recht Kultstatus: Blattgemüse kommt mit jeder Menge Antioxidantien und Ballaststoffen. Also allem, was uns in dieser Zeit des Jahres fehlt. Ich ziehe den Federkohl dem Schwarzkohl vor, mache also in zwei Wochen vielleicht vier Mal Federkohl und ein Mal Schwarzkohl. Die Vorliebe wird vom Biss bestimmt, der beim Federkohl etwas feiner ist. Wer gerne ein fleischiges, chüschtiges Gemüse verspeist, ist mit Schwarzkohl bestens beraten.

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Die Einkaufsliste

Senfkörner
1 Topinamburknolle (bringt Biss und den Geschmack von Artischocke ins Spiel)
1 Peterliwurzel (süsse, liebliche Note)
1 weisse Zwiebel
ca. 600 g Schwarzkohl oder Federkohl
Ausserdem benötigen wir Sojasauce und Weisswein oder Sake, allenfalls Gin und Rahm.

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Die Zubereitung

50 g Peterliwurzel schälen und in kleine Würfel schneiden (3 mm Kantenlänge)
Topinamburknolle schälen und in Würfel von ca. 10 mm Kantenlänge schneiden
½ Zwiebel fein schneiden
Das Grün von den Blattrippen sorgfältig abziehen und beiseitestellen
Die Rippen in Rädchen schneiden
Das Grün gut abwaschen, abschütteln und in ca. 3,5 cm breite Streifen schneiden

½ Teelöffel Senfkörner, Zwiebel, Peterliwurzel, Topinambur und Blattrippen in eine beschichtete Pfanne geben und in 25 g Butter auf mittlerer Hitze andünsten, bis alles schön glänzt. 3 Minuten ziehen lassen. Das sieht jetzt schon sehr toll und appetitlich aus und könnte als kleines Gemüseragout serviert werden. Aber wir haben ja noch die grünen Blätter. Also Hitze kurz erhöhen und das Ragout während einer Minute sautieren. Dann mit einem halben Dezi Weisswein ablöschen. Wer es gern süss-kräuterig hat, verwendet Noilly Prat.

Wir wollen die Blätter recht sanft schmoren.

Nach dem Ablöschen und wieder Erhitzen die Blätter dazugeben, Hitze wieder auf mittel reduzieren, Deckel drauf und einmal alles gut durchschütteln. Wir wollen die Blätter in der von ihnen selbst mitgebrachten Feuchtigkeit und dem Weisswein recht sanft schmoren, bis sie «lind» sind (alter Zürcher Ausdruck für gar), aber noch etwas Biss haben. Das soll schonend über etwa acht Minuten hinweg und nicht auf hoher Flamme vor sich gehen, damit uns die wertvollen Inhaltsstoffe erhalten bleiben. Ich salze kurz vor dem Anrichten, damit das Salz dem Kohl nicht übermässig viel Saft entziehen kann. Die Senfkörner sorgen für zusätzliche Textur, aber vor allem passen sie grossartig zu ihrem Verwandten: Senf und Kohl entstammen nämlich beide der Familie Brassicaceae (Kreuzblütler) und ergänzen sich geschmacklich perfekt.

Variationen

Ab dieser Phase kann man wunderbar spielen. Zum Beispiel ablöschen mit Sake, dann einen ordentlichen Schuss dunkle Tamari-Sojasauce dazu; Mutige mögen Fischsauce oder italienische Colatura di Alici verwenden, das kann aber recht dominierend ausfallen. Vor dem Servieren sorge ich in diesem Fall (eigentlich meistens) mit dem Saft von einem Viertel Zitrone oder Limette für gaumenöffnende Frische.

Federkohl lösche ich gerne erst mit Gin und dann mit Weisswein ab und gebe gleich einen ordentlichen Gutsch Rahm dazu. Dann muss der Kohl aber offen geschmort werden, damit der Rahm einkochen kann. Beisst man später auf die fein gefiederten Blätter, tritt dazwischen das süss-würzige Milchfett hervor und sorgt für ein befriedigendes Mundgefühl, das man mit etwas Derbem wie Kohl nicht in Verbindung bringen würde. Bei dieser Variante würze ich grosszügig mit geschrotetem (nicht gemahlenem) Pfeffer.

Wozu passt diese Art der Kohlzubereitung? Als vegetarische Beilage zu einem Steinpilzrisotto beispielsweise, aber auch zu einem Seeteufel oder zu Saltimbocca mit Polenta. Und natürlich zu Pasta: einfach fertig zubereitete Teigwaren in die beschichtete Pfanne zum Kohlgemüse geben und innig vermischen.

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