LGBT-Kolumne | Menschen & Leben

Kaffee trinkende Fabelwesen

Kolumne: Anna Rosenwasser

Einmal im Monat schreibt Anna Rosenwasser, wie sie in Zürich lebt und liebt. Im August erzählt die Geschäftsführerin der Lesbenorganisation Schweiz, wieso es in Zürich explizit queere Cafés braucht.

In Zürich hab ich eindeutig ein Lieblingscafé. Sie machen die weltbesten Cremeschnitten und ihr Latte Macchiato gibt mir zuverlässig jedes Mal das Gefühl, die Welt sei in Ordnung (was auch immer ihr Illegales in eure Hafermilch reinkippt, ihr Ganoven). An der Wand hängen so Boomer-Schildli mit frechen Sprüchen drauf, ganz schlimm. Sie haben Donuts mit Praliné-Füllung. Und: Immer wieder hängen dort queere Leute rum. Ich weiss das natürlich nicht offiziell. Spaziere ja nicht in Cafés rum, halte den Leuten ein Aufnahmegerät vor die Fresse und sage: «Hoi, bisch gay?» Aber man merkts halt. Weil dir der schwuchtlige Typ vor dem Tresen bekannt vorkommt. Weil der Regenbogen-Sticker am Laptop der Studentin wohl kaum für die Friedensbewegung steht. Weil die Angestellten auch nicht gerade wie eine wandelnde Straight-Pride-Parade wirken, und weil ich meine Dates verliebt anschmachten kann, während ich zu viel Zucker in meinen Tee kippe, ohne dass Blicke fremder Menschen dem Abend einen bitteren Nachgeschmack verleihen würden.

Ich werde oft nach Tipps für queere Cafés gebeten.

«Wo sind die queeren Cafés in Zürich?», werde ich manchmal gefragt, und meine Antwort ist immer: Es gibt keine. Zürich hat kein Café, das in erster Linie queer ist, wie es sie in einigen anderen europäischen Städten gibt. Das liegt einerseits daran, dass man mehr Geld damit verdient, Queers Alkohol zu verkaufen. Mit literweise Prosecco verdienst du mehr Geld als mit zwei Soja Latte. Und genau darum wäre es so wichtig, queere Cafés zu haben: Nicht jede LGBTQ-Person geht gern in den Ausgang. Und nicht jedem Menschen tut es gut, von viel Alkohol umgeben zu sein. Ausserdem will ich nicht, dass unsere Community nur in der Nacht existiert. Wir sind kein Schauermärchen, sondern bestenfalls Fabelwesen. Und die gibt es auch bei Tageslicht, zwischen Eiskaffee und heisser Hafer-Schokolade.

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Für diese Cafébetreiberin ist das selbstverständlich.

 Letztens erwähnte ich auf Insta genau das: dass es in Zürich keine queeren Cafés gibt. Aber dass mein Lieblingscafé ganz schön queer-friendly sei. Am folgenden Tag pilgerte ich dorthin, für mein wochenendliches Gipfeli, und traf die Chefin des Cafés an. (Wir haben ein gutes Verhältnis, obwohl sie meine Meinung zu den frechen Sprüche-Schildli kennt.) «Sag mal, Anna», sprach sie mich lächelnd an, «ich hab deinen Kommentar auf Insta gesehen und diesen Begriff gegoogelt. Was ist ein queer-freundliches Café?!» – «Jaaaa, ich weiss, das Internet ist chli verwirrend, wenns um queere Sachen geht», antwortete ich, während eine Angestellte mir mein Gipfeli über die Theke reichte. «Aber eigentlich ist queer einfach ein Überbegriff. Für alle Menschen, die aus der Geschlechternorm fallen, mit ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Geschlechtsidentität. Also eine Lesbe ist zum Beispiel queer, oder ein trans Typ. Und euch hab ich gestern als queerfreundlich bezeichnet», fuhr ich fort, «weil ich den Eindruck habe, dass queere Menschen sich bei euch wohlfühlen.» Da stutzte sie etwas. «Aber … das ist doch selbstverständlich?»

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Legt queere Magazine auf!

Und genau hier liegt der Knackpunkt: Für die einen ist es selbstverständlich, Queers willkommen zu heissen. Für andere ist es selbstverständlich, dass es nur zwei Geschlechter gibt, und zwar nur in hetero. Wir Queers müssen dann mühsam rausfinden, welche Orte – zum Beispiel Cafés – zu welcher dieser zwei Kategorien gehören. Darum, liebe Zürcher Cafés: Informiert euer Team darüber, wie man bei Homo- oder Transphobie einschreitet. Legt queere Magazine auf. Montiert einen Regenbogensticker an eurer Tür. Stellt Queers ein. Macht was Sinnvolles im Pride-Monat. Weils nicht überall so selbstverständlich ist wie in meinem Lieblingscafé.

Dieser Artikel ist nicht gratis.

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