Stadt & Geschichte | Bauten im Wandel

Vom mondänen Café zum «Fleischchäs»

Text: Eva Hediger

Beim Sechseläutenplatz steht einer der wohl unbeliebtesten Bauten der Stadt. Das war nicht immer so: Früher gab es dort ein Grand Café, das bei seiner Eröffnung 1925 die Zürcher:innen entzückte.

«Fleischchäs»: So nennen die Zürcher*innen abschätzig den schweinchenfarbenen Erweiterungsbau des Opernhauses. Walter Wäschle wählte noch deutlichere Worte: Der Architekt bezeichnete ihn als «Unort» und als «Fremdkörper». 2019 verlangte er im «Tages-Anzeiger» den Abriss.

Seit fast vierzig Jahren erregt der Bau die Gemüter.

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Der «Fleischchäs» circa 1985 (Foto: Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich / Grünert Peter)

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Mitte- und Linkspolitiker*innen teilten diese Pläne. Sie wünschten sich an diesem Standort ein neues Gebäude für den Gemeinde- und Kantonsrat. Das über 300-jährige Rathaus am Limmatquai sei zu eng und publikumsunfreundlich. Ausserdem entspreche es nicht mehr den gängigen Sicherheitsstandards.

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Der «Fleischchäs» sorgt seit jeher für Unmut. Für seinen Bau und die Renovation des Opernhauses wurde ein 60-Millionen-Kredit gewährt. Hunderte Jugendliche forderten am 30. Mai 1980, dass das Geld in die alternative Kultur Zürich fliesse. Durch das Eingreifen der Polizei artete der ursprünglich friedliche Protest aus. Der sogenannte Opernhaus-Krawall dauerte die ganze Nacht und löste die 80er-Bewegung aus.

Die Jugendlichen wollten die Millionen anders einsetzen.

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Durch das Eingreifen der Polizei artete der ursprünglich friedliche Protest aus. Der sogenannte Opernhaus-Krawall dauerte die ganze Nacht und löste die 80er-Bewegung aus. (Foto: Keystone / Olivia Heussler)

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Doch auch optisch stiess der Anbau auf Widerstand. Viele Bürger*innen würden sich fragen, ob sie wirklich «diesem Betonklotz» zugestimmt hätten, schrieb die «Neue Zürcher Zeitung». Und druckte «Modell und Wirklichkeit beim Opernhaus» ab: Die Bilder zeigten, wie stark sich die Pläne von der fertigen Fassade unterschieden. Diese sei – so die «NZZ» nach der Eröffnungsfeier 1984 – ein «leicht schockierender Anblick».

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Neue Zürcher Zeitung vom 19. November 1984

Trotzdem: Die «neue rote Fabrik» zeige auch Respekt vor dem Altbau. Das Gebäude biedere sich nicht an das Opernhaus an und überlasse diesem «die dominierende Rolle».

Im Grand Café Esplanade wurde gegessen und getanzt.

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Luftbildaufnahme von circa 1935 (Bild: Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich / Swissair)

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Das Grand Café um 1925 (Foto: Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich / Gallas Wilhelm)

Fast sechzig Jahre früher war die Presse begeisterter. 1925 wurde an der Adresse das Grand Café Esplanade eingeweiht, «eines der eigenartigsten und modernsten Bauten der Stadt». Vorher befand sich an dieser Stelle eine Grasfläche, auf der sich immer wieder Gastzirkusse niedergelassen hatten.

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Plakat von 1939 (Gestaltung: Oskar Zimmermann)

Das Grand Café Esplanade umfasste einen grossen Saal, ein Restaurant mit französischer Küche, eine Bar und ein Tearoom. Doch das Angebot wurde nur mässig genutzt. Dies änderte sich erst, als der Basler Rudolf Bernhard 1941 in den Räumlichkeiten ein Revue-Theater eröffnete.

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Das Bernhard Theater kurz vor dem Abriss (1981) ... (Foto: Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich)

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... und heute.

In den folgenden 21 Jahren wurden dort fast 7000 Vorstellungen aufgeführt. Oft trat der Komiker selbst im Bernhard-Theater auf. Nach seinem Tod 1962 übernahmen Eynar und Vincent Grabowsky die Leitung. Sie erweiterten das Programm des Bernhard-Theaters etwa um Chansons-Abende und Travestie-Shows.

Heute befindet sich das Theater noch immer direkt am Sechseläutenplatz: Am 27. Dezember 1984 feierte es seine Wiedereröffnung im «Fleischchäs».

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Adresse 

Opernhaus
Sechseläutenplatz 1
8001 Zürich