Zeitreise

Der kreative Löwenbändiger

Zürich ist eine Löwenstadt. Das hat sie nicht zuletzt dem exzentrischen Künstler Urs Eggenschwyler zu verdanken. Er erschuf jedoch nicht nur Raubkatzen aus Stein, sondern nahm sie auch mal auf einen Spaziergang mit.

Der Löwe im Zürcher Wappen hat eine lange Tradition. Er geht zurück auf das Spätmittelalter und fand seit dem Ende des 15. Jahrhunderts auf Wappenscheiben, Münzen und vielen anderen Darstellungen Verwendung. Heute ist er allgegenwärtig, bei Sportclubs, auf dem Züri-Tram und selbstverständlich auf offiziellen Papieren. Dass der Löwe auch im Zürcher Stadtbild überall präsent ist, hängt mit dem exzentrischen Bildhauer Urs Eggenschwyler (1849–1923) zusammen.

Auf dem Milchbuck richtete Urs Eggenschwyler eine Menagerie mit exotischen Tieren ein.

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Urs Eggenschwyler mit seiner Lieblingslöwin Grete. (Bild: Stadtarchiv Zürich)

Der Solothurner machte in Zürich eine Zeichner- und Bildhauerlehre und studierte anschliessend an der Akademie in München. Er interessierte sich schon früh für Tierdarstellungen und auch für Menagerien mit lebenden Tieren. Ab 1878 zurück in Zürich, schuf er unter anderem Tafelaufsätze für Zünfte und vor allem Löwendarstellungen im öffentlichen Raum. So stammen die Skulpturen auf der Stauffacherbrücke aus Eggenschwylers Hand. Doch der exzentrische Künstler beliess es nicht bei Nachbildungen. Auf dem Milchbuck richtete er eine Menagerie mit exotischen Tieren wie Bären, Leoparden, Hyänen und natürlich Löwen ein.

Nach seinem Tod wurden einige seiner Tiere in den Zürcher Zoo aufgenommen.

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Seegfrörni des Zürichsees um 1929 am Mythenquai. Im Zentrum steht Urs Eggenschwylers Löwendenkmal. (Bild: Schweizerisches Nationalmuseum)

Obwohl der Solothurner von allen Raubtieren fasziniert war, hatte er doch einen klaren Favoriten: den König der Tiere. Er spazierte oft mit seinen Löwen durch die Stadt und soll sogar ab und zu in einer Gartenbeiz einen Halt gemacht haben. Das brachte ihm allerdings ziemlich schnell Ärger mit der Polizei ein. Die Beamten fürchteten um die Sicherheit der Bevölkerung und verboten die Spaziergänge. Deshalb verlegte Eggenschwyler seine Rundgänge in die Nacht. Wenn er doch mal jemandem begegnete, meinte er nur, sein Hund sei halt besonders gross.

Nach seinem Tod - Eggenschwyler starb 1923 bei den Bauarbeiten am Löwendenkmal in Luzern - wurden einige seiner Tiere 1929 in den neu eröffneten Zürcher Zoo aufgenommen. In seinen monumentalen Löwen lebt der Künstler jedoch bis heute in Zürich weiter.

Kooperation

Regelmässig gibt es auf dem Blog des Landesmuseums Zürich spannende Storys zur Vergangenheit von Zürich und der Schweiz: Die Themenpalette reicht von den alten Römern bis zu den Anfängen des Frauenfussballs.

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