Text: Eva Hediger

Bis Anfang des 18. Jahrhunderts wurden in Zürich Frauen – und vereinzelt auch Männer – als Hexen verbrannt. Doch nur eines der Opfer stammte aus der Stadt selbst: Agatha Studler.

Die Milch wurde nicht zu Rahm. Bäuerinnen kriegten Läuse, Bauchschmerzen oder keine Kinder. Ochsen wollten den Pflug nicht mehr ziehen, Jungvieh verendete. Unterschiedliche Probleme, doch alle hatten den gleichen Ursprung – zumindest in den Augen der Menschen, die 1701 im alten Stadtstaat Zürich lebten.

Sie waren überzeugt davon, dass sieben Frauen und ein Mann für die Missstände verantwortlich waren. Sie hätten mehrere «Schadenszauber» gesprochen – hätten sich also als Hexen und Hexer mit dem Teufel eingelassen. Dies gaben die Beschuldigten auch zu. Denn während ihrer Haft im Gefängnisturm Wellenberg wurden sie massiv gefoltert. Nach dem Geständnis wurden sie zum Tod verurteilt.

Den Frauen drohte der Feuertod.

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Sie waren die Letzten der über achtzig Frauen und fünf Männer, die ab 1487 wegen Hexerei zum Tode verurteilt wurden. Nur eines aller Opfer stammte aus der Stadt Zürich selbst: Agatha Studler. Anders als die meist mittellosen Beschuldigten war Studler ausgesprochen wohlhabend. Ihr gehörte das Haus zur Meerkatze an der Unteren Zäune 1. Heute ist es als Chamhaus bekannt.

Das Haus von Agatha Studler steht noch heute.

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Das Chamhaus heute (Bild: Baugeschichtliches Archiv, Fotograf: Hussel Thomas)

Agatha Studler war für diese Zeit unüblich stark emanzipiert und pflegte gute Kontakte zur Zürcher Oberschicht. Sie war in dritter Ehe mit einem jüngeren Mann verheiratet. 1546 wurde sie wegen dieses «gottlosen, unchristlichen und lasterhaften» Lebens zum Tod verurteilt. Bereits sieben Jahre zuvor war sie wegen «Schadenszauber» angeklagt worden. Unter anderem warf man Studler vor, ihren zweiten Ehemann «unter dem Gürtel gelähmt» zu haben – dabei hatte der Mann mehrere aussereheliche Kinder.

Weiter klagte der Gemeindepfarrer, dass drei Tage nach einer Begegnung mit Agatha Studler sein Kopf mit Blasen übersät gewesen sei. Ausserdem seien ihm die Haare ausgefallen und die Ohren zugeschwollen. Nicht nur ihre Beziehungen zu den mächtigen Stadtzürchern retteten sie damals, sie wusste sich auch selbst überzeugend zu verteidigen.

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Bei ihrer zweiten Verhaftung hatte Agatha Stadler weniger Glück. Am 27. Februar 1546 wurde die damals 55-Jährige unter dem Läuten der Kirchenglocken in der Limmat ertränkt.

Agatha Studler blieb die Einzige, die in Zürich selbst als Hexe verurteilt wurde. Das hatte einen einfachen Grund: Die Stadt war damals noch klein, die meisten Einwohnerinnen und Einwohner waren miteinander verwandt. Niemand wollte eine Hexe oder einen Hexer in der Familie haben – selbst als Geschädigte oder Geschädigter nicht. Und so suchte man für die Miseren dieser Zeit andere, vermutlich weltlichere Gründe als die Hexerei.