Menschen & Leben

Das Macbook kostet einen Haarschnitt

Andreas Rodin und sein Team fordern: «Rentenalter 10 für Laptops!» Sie reparieren alle IT-Geräte – egal, wie alt sie sind. Unsere Autorin hat das nachhaltige Revamp-IT besucht.

«Stopp mit der Frühpensionierung von Computern!», «Mit Linux fit bis ins hohe Alter!», lese ich vor dem Eingang von Revamp-IT auf einem Aushang. Die kreuz und quer aufs Blatt geschriebenen Sätze erinnern an die Zeiten, als man an massiven Computern mit Word Art lustige Glühbirnen oder Ballone auf Einladungen zauberte. Doch marketingtechnisch ist dieses 90er-Layout gar nicht so falsch. Denn hinter diesen Schaufenstern, in denen Plüschpinguine auf Toner-Verpackungen rumturnen, kann man richtig alte Hardware kaufen oder reparieren lassen – und dies erst noch in einer ehemaligen Bankfiliale.

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Als sich die Schiebetüren öffnen, ist die Zeitreise noch nicht vorbei. Die Halle gleicht mit den bunt zusammengewürfelten Tischen, Stühlen und Sofas einem Brockenhaus. Am Boden stehen museumswürdige Bildschirme und Computer herum, auf einigen Tischen liegen Kartonschachteln mit gebrauchten Mäusen und Tastaturen, und den Weg zu den früheren Bankschaltern versperren grosse Drucker. Nach einer kurzen Wartezeit betritt ein Mann mit langem weissem Bart und in einem Shirt mit Wolfsaufdruck die Schalterhalle: Andreas Rudin. Er ist Mitgründer von Revamp-IT. Der gemeinnützige, selbstverwaltete Verein setzt sich seit 15 Jahren für einen nachhaltigen Umgang im Bereich IT ein.

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Auf einem der Sofas erfahre ich von Andreas, was die Pinguine im Schaufenster – sie sind das Markenzeichen des Open-Source-Betriebssystems Linux – mit Nachhaltigkeit zu tun haben. «Bei uns kommen zwei Dinge zusammen: das Recycling von Hardware und Open-Source-Software», erzählt er. Um Laptops oder Computer länger am Leben zu halten, müssen nämlich nicht nur defekte Teile repariert oder ersetzt werden. Damit Geräte einsetzbar bleiben, braucht es Software, mit der das System trotz erforderlicher Updates oder neuer Anwendungen läuft. Freie Software wie Linux sei flexibler und biete auch sicherheitstechnische Vorteile, weil man stets die Kontrolle behalte, wer Zugriff auf den Computer habe, erklärt Andreas.

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Das rund zwanzigköpfige Team von Revamp-IT macht in die Jahre gekommene Computer mit der Installation des Linux-Betriebssystems wieder leistungsfähig und bietet regelmässig Kurse für die Nutzung der Open-Source-Programme an. In Wipkingen – oder auch über den Online-Shop – erhält man beispielsweise ein elf Jahre altes Macbook für 200 Franken. Doch ist ein solch alter Knochen nicht zu langsam? «Manchmal muss man einen Moment warten, bis der Computer so weit ist. Doch dann kann man auch einmal durchatmen», sagt Andreas und lacht. Er brauche dank dieser Lebenseinstellung kein Meditationstraining, und weil er die Ware per Lastenvelo transportiert, müsse er auch nicht ins Fitness.

«Manchmal muss man einen Moment warten, bis der Computer so weit ist.»

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Dass Nachhaltigkeit hier nicht als Marketingstrategie gefeiert, sondern als ganzheitlicher Gedanke gelebt wird, ist ohnehin längst klar. Dazu gehört auch, dass der Betrieb Arbeitsplätze anbietet für Personen, die im gewöhnlichen Arbeitsmarkt zwischen Stuhl und Bank fallen. Oder dass Geräte hier per Tauschhandel erworben werden können – mit der Tauschplattform Talent Schweiz gegen eine Gegenleistung wie etwa einen Haarschnitt. Auch werden Geräte immer wieder einmal für Filmsets ausgeliehen, wenn etwa ein Büro aus den 80er-Jahren nachgestellt werden muss.

Auch werden Geräte immer wieder einmal für Filmsets ausgeliehen, wenn etwa ein Büro aus den 80er-Jahren nachgestellt werden muss.

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Neben Reparatur, Aufrüstung und Software-Kursen bietet das Team Hosting- und Cloud-Dienste für Schweizer KMU an, die ihre Daten in der Schweiz speichern wollen. Für die dazu benötigten Server fand sich eine perfekte Recycling-Lösung: Sie sind in alten ZKB-Serverracks im 3. UG installiert, wo sich einst das Rechenzentrum der ZKB befand. Nach mehreren Umzügen wird Revamp-IT allerdings auch diese Zwischennutzung der Stadt irgendwann wieder verlassen müssen. Andreas sieht dem jedoch gelassen entgegen: «Wir leisten einen so wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeit, da werden wir schon etwas finden», sagt er und verweist auf die Einsparungen an grauer Energie, die ein Computer bereits vor der Inbetriebnahme verbraucht.

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Dass der Trend zur Nachhaltigkeit in der breiten Masse angekommen ist, kriegt Revamp-IT zu spüren. Es kämen immer mehr Leute mit Geräten, die sie reparieren lassen möchten, sagt Andreas. Und selbstverständlich sind Revamp-IT-Leute auch bei den Klimademos dabei und verteilen Flyer mit Tipps zu klimafreundlichen digitalen Alternativen.

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