Kultur & Nachtleben

«Viele haben eine riesige Wut im Bauch»

Interview: Sibylle Ledergerber

Ende März erscheint der Debütroman «Böse Delphine» von Julia Kohli. Die Zürcher Kulturpublizistik-Studentin hat es innerhalb fünf Monaten geschrieben – und bereits vor seiner Veröffentlichung einen Preis gewonnen. Mit uns hat Julia über ihren Schreibflow, den Buchtitel sowie Lesungen vor Publikum gesprochen.

Wie Halina bist du selbst gelernte Buchhändlerin und Studentin. Wie viel von dir steckt in deiner Hauptfigur?

Das ist gar nicht so einfach zu erklären. Gewisse Situationen, in die Halina gerät, sowie ihre Träume sind aus dem Leben gegriffen. Der Rest ist Autofiktion, basiert also auf meinen Erfahrungen. Ich habe mir im Nachhinein oft überlegt, ob Halina wie ich ist. Während des Schreibens habe ich mir darüber noch wenig Gedanken gemacht. Ich bin zum Schluss gekommen, dass Halina eine Art Parallelexistenz ist. Ihre Gedanken und Erfahrungen sind mit dem Schreiben entstanden und waren auf diese Art vorher noch nicht da.

Wie kam es zum eigentümlichen Titel «Böse Delphine»?

Während des Schreibens hatte ich plötzlich diesen Titel im Kopf und dachte: «Der ist es!» Er passt zur Geschichte und zu Halina. Delphine scheinen naiv und von aussen betrachtet ein bisschen gaga, doch niemand kann wissen, wie es in ihrem Innern aussieht. Bei Halina ist es auch so, sie ballt die Fäuste in der Tasche. Und so geht es vielen: Sie sind unglücklich in einer bestimmten Situation und haben eine riesige Wut, die richtigen Worte fallen ihnen aber erst zwei Stunden später unter der Dusche ein.

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Wie bist du überhaupt auf die Idee gekommen, einen Roman zu schreiben?

Wir haben einen Gruppenchat im Studium. Ein Kollege postete die Ausschreibung für den Wettbewerb der Studer/Ganz Stiftung. Zuerst haben wir darüber gescherzt. Dann dachte ich plötzlich: Wieso eigentlich nicht?! Ich hatte 60 Seiten Erlebnisse und Gedankenexperimente, die mir als Inspiration dienten. Den Roman habe ich dann innerhalb von fünf Monaten geschrieben.

Wirklich?

Ich habe einfach aus dem Bauch heraus geschrieben. Ich war während des Schreibens in einem seltsamen Flow, der mich immer weiter antrieb. Die Geschichte hatte sich verselbstständigt – das ist ein etwas unheimlicher Prozess. Erst als das Manuskript aus dem Lektorat kam, habe ich begriffen, was ich da gemacht habe.

«Delphine scheinen von aussen betrachtet ein bisschen gaga, doch niemand kann wissen, wie es in ihrem Innern aussieht.»

Fiel dir die Arbeit am Roman auch manchmal schwer?

Klar hatte ich kleinere Krisen, aber die Freude am Schreiben war grösser. Die Geschichte war für mich eine Art Ventil während des Studiums. Ich konnte schreiben, was ich wollte, es redete mir niemand dazwischen.

Den Preis der Studer/Ganz Stiftung hast du schliesslich gewonnen. Hat das etwas für dich geändert?

Danach hat sich mein Leben komplett verändert. Nein, Quatsch – ich lebe weiter wie bisher. Okay, einen Pulli habe ich mir gegönnt und mein Mittagessen kam ein paar Monate lang nicht aus dem Tupperware-Geschirr. Jetzt muss ich mich wieder ein wenig bremsen, nicht dass ich noch übermütig werde.

«Es war eine Ehre für mich, an der Preisverleihung vorlesen zu dürfen, aber es brauchte sehr viel Überwindung.»

Sind denn bald Lesungen geplant?

Nein, lieber nicht. Ich bin nicht scheu, aber solche Auftritte vor vielen Leuten liegen mir nicht. Es war eine Ehre für mich, an der Preisverleihung vorlesen zu dürfen, aber es brauchte sehr viel Überwindung.

Schreibst du bereits an einem neuen Buch?

Ich habe mit einer Kurzgeschichte angefangen, bin aber noch nicht weit gekommen, schliesslich bleibt neben Arbeit und Studium nicht viel Zeit. Ideen hätte ich viele, ich notiere mir diese laufend. Wir werden sehen.

Infos

Julia Kohli studiert an der Zürcher Hochschule der Künste Kulturpublizistik. In ihrem ersten Roman «Böse Delphine» erzählt sie die Geschichte der 27-jährigen Geschichtsstudentin Halina. Diese hält sich mit einem Job in einem Buchkiosk über Wasser und entdeckt dabei immer wieder das Skurrile im vermeintlich normalen Alltag. Für ihr humorvolles Werk erhielt Julia den Studer/Ganz Preis für das beste unveröffentlichte Prosadebüt. «Böse Delphine» erscheint am 31. März im Lenos Verlag. Hier kann das Buch bestellt werden.