Menschen & Leben | Parents We Love

Sie hat definitiv die Hosen an

Fotos: Dominic Wenger

Sandra Grimmer wollte nicht nur eine bequeme, stilsichere Hose auf den Markt bringen. Sie wollte sie auch fair und nachhaltig herstellen. So richtig. Also plante sie, ihre Hosen vollständig in die Circular Economy einzuführen. Und sie am Hosenlebensende wieder in ihre Bestandteile zu zerlegen, um daraus neues Garn zu gewinnen. Ein wegweisendes Projekt.

Liebe Sandra, du hast aus der Not eine Tugend beziehungsweise eine Hose gemacht. Erzähl!

Bevor ich Kinder hatte, war meine Garderobe getrennt nach Business und Freizeit. Nach der ersten Geburt vermischten sich die Grenzen zwischen den einzelnen Lebensbereichen, also von Homeoffice und Spielplatz, von Haushalt und Meeting. Und so haben sich auch meine Ansprüche an Kleidung und besonders an Hosen stark verändert. Nebst gutem Aussehen sollten sie einfach alles mitmachen, mich in der Bewegung nicht einschränken und absolut pflegeleicht sein. So entstand die Idee für «die Hose fürs Leben». Und damit auch für die Gründung von Seefeld.Style.

«Nach einer Geburt können Hosen einen ziemlich frustrieren.»

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Das Unternehmen entstand also sozusagen mit dem ersten Kind?

Sozusagen, ja. Nach der Geburt meiner Tochter war noch nicht alles an meinem Körper «beim Alten» und Hosen können einen dann ziemlich frustrieren. Gerade in Zeiten, die sonst schon so herausfordernd sind, ist es doch umso wichtiger, dass man sich in seiner Haut wohlfühlt – im Business genauso, wie wenn man irgendwo am Boden seinen Kids hinterherkrabbelt. Kurz: Die von mir erfundene Hose macht alles mit, ist schlicht und schmeichelt der Figur.

Das geht vielen Müttern so – sie entwickeln in der Babypause ein weiteres Baby.

Ja, ich fand das schon auch cool, dass ich, während ich auf meine Tochter schaute, gleichzeitig etwas für meinen Kopf tun konnte. Ohne diese geistige Herausforderung wäre mir zu Hause schnell die Decke auf den Kopf gefallen. Ich bin deshalb auch dankbar, dass mein Mann mich dabei voll unterstützte, das Kochen übernahm und wir die Kindererziehung miteinander teilten. So hatte und habe ich neben dem Muttersein immer auch Zeit, mich um mein Geschäft zu kümmern.

«Mit einem Kind muss man sich selbst zurücknehmen.»

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Wie hat dein erstes Kind deine Welt und dich verändert?

Ich bin geduldiger und flexibler geworden. Das sagt jedenfalls mein Mann. Aber wahr ist, dass man mit einem Kind sich selbst zurücknehmen muss. Und das ist nicht immer einfach. Das Wohl der Kinder steht an erster Stelle – da nimmt man Einbussen für sich selbst in Kauf. Das geht von der Freizeitgestaltung über ewig kindergerechte Menüs bis hin zu Freinächten neben dem fieberkranken Kind. Das gehört mit dazu. Dafür geniesst man dann aber wieder die kleinen Momente, in denen man mal durchschnaufen kann: ich zum Beispiel den ersten Kaffee mit meinem Mann, bevor die Kinder aufwachen und der tägliche Wahnsinn wieder losgeht.

Kooperation

Bei Tadah dreht sich alles um die Vereinbarkeit – im Online-Magazin mit spannenden Interviews mit Eltern und im ersten Schweizer Coworking Space mit Kinderbetreuung. Ob mit oder ohne Kind – schaut doch vorbei auf tadah.ch. Oder direkt im wunderschön eingerichteten Space in Zürich Albisrieden.

«Marken, die alle zwei Wochen eine neue Kollektion auf den Markt bringen, haben gar keine Zeit, alles in Einklang zu bringen. Wir machen es anders.»

Weshalb sind Hosen das wohl schwierigste Kleidungsstück für Frauen?

Nicht nur für Frauen! Auch für Männer gilt: Hosen, die gut sitzen, eine schöne Figur machen und trotzdem die Bewegungsfreiheit nicht einschränken, sind sehr schwer zu finden. Und die meisten Hersteller machen sich keine grossen Sorgen um Passform und Tragekomfort, sondern zählen darauf, dass die Kund*innen einfach der Mode folgen. Marken mit schnellen Zyklen, die alle zwei Wochen eine neue Kollektion auf den Markt bringen, haben gar keine Zeit, alles in Einklang zu bringen. Wir machen aber lieber Lieblingsstücke, die man immer wieder nachkaufen kann und die garantiert genau gleich sind wie beim ersten Hosenpaar. Zudem ist unsere Hose nachhaltig produziert. Und sie wird noch nachhaltiger werden: Wir wollen unsere Hosen in die Circular Economy einführen. Aus alten Hosen wird an ihrem Lebensende neuer, hochwertiger Garn.

Du hast beim Smart Emma Voting der SBB gewonnen – einen Pop-up Store im Zürcher HB. Der Traum einer jeden Designerin bzw. Shop-Inhaberin. Und dann kam Corona. Wie ging’s weiter?

Als junges Label hatten wir uns natürlich wahnsinnig darüber gefreut, bei SBB Smart Emma gewonnen zu haben. Das Projekt wurde dann aber wegen des Lockdowns erst mal abgesagt und wir mussten uns selber neu erfinden. So entstand die Idee zu Salon Privé, das bedeutet privates Wohnzimmer. Und genau in so eine gemütliche Atmosphäre eines Salon Privé laden wir unsere Kundinnen ein – jedes Mal an einen anderen Ort.

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Du bist Mutter von zwei Kindern im Alter von vier und drei Jahren. Du bist Hosen-Designerin und -Vermarkterin. Und jetzt gründest du noch eine Circular-Economy-Firma. Also entweder bist du nah am Kollaps oder aber du hast irgendein Self-Management-Geheimnis, das wir jetzt unbedingt wissen wollen. Raus damit!

Klar, ich arbeite viel und Zeit für Hobbys oder Me-Time bleibt kaum. Meine Arbeitszeit ist nicht geregelt und die Gesprächsthemen am Familientisch drehen sich oft um die Arbeit – auch am Wochenende. Arbeit und Freizeit sind nicht getrennt, sondern mischen sich. Aber es fühlt sich auch natürlich an. Meine Arbeit ist Teil meines Lebens. Mein Mann, meine Schwestern, meine Mutter, die Schwiegereltern und viele Freund*innen helfen bei uns mit. Natürlich ist es mit Kindern oft auch eine organisatorisch und logistisch knifflige Herausforderung, alles unter einen Hut zu bringen. Aber am Ende funktioniert es dann doch und die Kinder müssen nicht auf ihre Mami verzichten. So bin ich übrigens auch selbst aufgewachsen: Mein Vater war selbstständiger Werkzeugmacher und meine Mutter hat die Administration gemacht. Das Büro war im Haus und die Werkstatt in der Garage, sodass wir eigentlich nie ohne unsere Eltern waren. Für mich ist dieses Lebensmodell die Norm, nicht die Ausnahme.

«Ich habe jetzt ein Ziel, das ich selbst bestimmt und gestaltet habe.»

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Was muss gegeben sein, um so zu arbeiten?

9-to-5 muss man abschreiben. Man muss das Leben als Ganzes nehmen und bereit sein, Entscheidungen zu fällen, Opfer zu machen und Prinzipien einzuhalten. Vielleicht ist mein Leben nicht mehr so entspannt wie früher. Dafür fühlt es sich für mich umso sinnvoller an. Ich habe jetzt ein Ziel, das ich selbst bestimmt und gestaltet habe. Dafür stehe ich jeden Tag auf und darauf arbeite ich hin.

Du setzt dich also für Selbstbestimmung ein?

Oh ja. Für mich wie für alle andern. Deswegen ist es mir so wichtig, dass unsere Hosen fair und umweltfreundlich hergestellt werden. Denn auch die Näherinnen und anderen an der Herstellung beteiligten Personen haben ein Recht auf ein Leben in Würde. Und Würde kann nur durch ein selbstbestimmtes Leben erreicht werden, nie durch Abhängigkeit oder Ausbeutung von anderen oder ihrer Lebensgrundlagen. Mit ein Grund, weshalb wir nicht einfach nur stilvolle, gut sitzende Hosen machen. Oder nach Öko-Tex-Standards produzieren. Wir wollen den Bogen ganz spannen, wirklich nachhaltig arbeiten, eine Circular Economy einführen.

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Zurück zu deinem Arbeitstag. Wie sieht der denn nun aus?

Bei der Kinderbetreuung wechseln mein Mann und ich uns ab. Dabei hat sich ein Zwei-Stunden-Rhythmus als sehr effizient erwiesen. In zwei Stunden kann man konzentriert viel erarbeiten, danach hat man zwei Stunden Kinderprogramm. Auch beim Ins-Bett-Bringen wechseln wir uns ab. Ausserdem bekommen wir viel Unterstützung von den Grosseltern und meiner Schwester, die meist ein Mal wöchentlich etwas mit den Kindern unternehmen. Mein Mann kocht und besorgt den Einkauf, während ich mich um die Wäsche und Papierkram kümmere. Die Tage fangen oft um 5 Uhr früh an und sind dann zwischen 21 und 22 Uhr zu Ende. Wir haben kein richtiges Wochenende, weil auch diese Tage für die Arbeit genutzt werden. Dafür können wir aber auch mal spontan mitten in der Woche einen Ausflug mit den Kindern machen.

Sounds like a plan.

Noch konkreter sieht es so aus: Mein Handy ist voll mit kleinen Alarmen. Von Aufstehen über Znünimachen bis hin zu meinen Zwei-Stunden Arbeits-Slots – mein Handy erinnert mich ständig daran, was gerade ansteht. So können mein Mann und ich uns ohne viel Übergabezeit bei den Arbeits-Slots absprechen und kommen an einem normalen Werktag auf je sieben Arbeitsstunden. Damit ich diese Zeit voll ausnutzen kann, mache ich mir am Abend immer zwei To-do-Listen für den nächsten Tag: eine Liste mit den Business-To-dos und eine mit den Haushalts-To-dos. So kann ich auch kleine Zeitfenster gut nutzen. Denn wenn die Kids gerade friedlich spielen und mir das ein 15-Minuten-Zeitfenster schenkt, dann kann ich gleich etwas erledigen und verliere keine Zeit damit, darüber nachzudenken, was ich mit der Zeit anfangen könnte. Ich schau einfach auf meine Liste und wähle einen der Punkte aus.

«Wir teilen uns Haushalt und Kinderbetreuung gleichberechtigt.»

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Ihr arbeitet also Hand in Hand, dein Mann und du. Geht das immer gut?

Mit Roland habe ich einen echten Partner an der Seite. Wir teilen uns Haushalt und Kinderbetreuung gleichberechtigt. Es hat nicht von Anfang an reibungslos geklappt, jetzt aber schon. Und darauf sind wir stolz.

Was ist dir wichtig als Unternehmerin?

Einen Beitrag zu leisten für eine bessere Welt. Im Grunde geht es darum, dass wir das, was wir tun, anständig tun. Und es geht um Langlebigkeit – beim Produkt genauso wie bei den Beziehungen zu Kund*innen und Partner*innen.
Um diesen Werten treu bleiben zu können, braucht es Effektivität. Als kleine Firma haben wir nur beschränkte Ressourcen zur Verfügung. Wir müssen also genau darauf achten, dass unsere Prozesse schlank und gleichzeitig schlagkräftig sind. So können wir es uns leisten, das zu tun, was wir wichtig und richtig finden.

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Was ist dir wichtig als Mutter?

Dass meine Kinder in einer gesunden Umgebung aufwachsen können und zu glücklichen, wohlwollenden und selbstständigen Menschen heranwachsen. Das braucht ein gesundes Umfeld, sprich: gesunde Familiendynamik, Umwelt, Bildung und Ernährung. Als Eltern versuchen wir unser Bestes, um unseren Kindern dieses Umfeld zu geben. Aber gleichzeitig akzeptieren wir auch, dass nicht immer alles perfekt sein kann. So lernen die Kinder auch, dass es im Leben mal Höhen und Tiefen gibt.

Wo siehst du dich in fünf Jahren?

Als Mutter von zwei Primarschülern. Mit einer Firma, die anstrebt, einen positiven Eindruck in unserer Welt zu hinterlassen. Und als Frau, die weiterhin den morgendlichen Kaffee mit ihrem Mann geniesst, bevor die Kinder aufwachen. Das wäre schön.

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Dieses Interview erschien auf Tadah.ch. Derzeit arbeiten Sandra und ihr Mann je 100 Prozent über sieben Tage verteilt. Ihre Tochter Ronja geht vormittags in den Kindergarten, Milan an zwei Morgen in die Waldspielgruppe. An ein bis drei Tagen helfen die Grosseltern bei der Betreuung, an den anderen Nachmittagen werden die Kinder von beiden Eltern abwechslungsweise betreut.

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