Essen & Trinken

«Viele Leute neigen zu Übergewicht»

Interview: Eva Hediger

Hamsterkäufe, Homeoffice-Snacks und Ausgangssperre-Food: Wir haben Ernährungsberaterin Céline Sommer gefragt, was wir während der Corona-Krise essen sollen.

Bestimmte Früchte oder Vitaminpräparate: Auf Social Media kursieren aktuell einige Ernährungstipps, mit denen Corona vorgebeugt werden soll. Alles Humbug?

Es gibt kein bestimmtes Lebensmittel oder Vitamin, das vor einer Ansteckung schützt. Doch für das Immunsystem ist eine gute Versorgung mit Vitaminen, Mineralstoffen und sekundären Pflanzenstoffen wichtig. Es ist dann gestärkt und die Erkrankung verläuft eher positiv – besonders bei jungen Menschen. Welche Früchte oder Gemüse man isst, spielt nicht so eine grosse Rolle. Wir empfehlen die «Take Five»-Regel – also, täglich fünf Portionen Früchte und Gemüse zu essen und bei der Wahl abzuwechseln. Ausserdem ist es sinnvoll, auf die Regionalität und Saisonalität zu achten.

In den Supermärkten sind viele Regale leergekauft, die Leute legen Vorräte an. Welche Produkte dürfen daheim nicht fehlen?

Wer erkrankt oder in Quarantäne muss, darf das Haus mehrere Tage nicht verlassen. Es ist also schon richtig, sich mit genügend Lebensmitteln einzudecken. In solchen Fällen verweisen wir auf die Broschüre «Notvorrat» vom Bund. Wir raten jedoch von Hamsterkäufen ab. Sie führen nur zu unnötigem Food Waste. Ideale und lang haltbare Lebensmittel sind vor allem tiefgefrorenes Gemüse und Früchte. Sie können aber auch in Essig eingelegt oder fermentiert sein, wie zum Beispiel Sauerkraut. Nüsse, ungezuckerte Trockenfrüchte und Milchprodukte wie Käse sind ebenfalls lange haltbar. Und natürlich gewisse Konserven, etwa Hülsenfrüchte. Eier und Trockenfleisch versorgen mit Eiweiss, und Reis, Hülsenfrüchte und Kartoffeln sind gute Kohlenhydratlieferanten.

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«Wenn man Hunger bekommt, raten wir zu einem Gemüsedip.»

Die Leute scheinen vor allem Teigwaren zu kaufen.

Das ist natürlich die einfachste Lösung. Jene aus Vollkorn sind gesünder als normale Teigwaren, da sie mehr Nahrungsfasern enthalten. Und: Auch bei den Beilagen ist es wichtig, zu variieren, denn jedes Lebensmittel ist anders zusammengesetzt. Auch Kartoffeln, Hülsenfrüchte oder schwarzer Reis bieten sich hier an.

Viele arbeiten derzeit daheim und klagen darüber, dass sie zu viele Snacks essen.

Das ist im Moment wirklich ein grosses Thema. Wir raten dazu, den gewohnten Rhythmus möglichst beizubehalten. Wir empfehlen drei ausgewogene Hauptmahlzeiten, damit man lang anhaltend – das heisst bis zur nächsten Hauptmahlzeit – gesättigt ist. Ein ausgewogenes Menü besteht aus einem grossen Teil Gemüse oder Salat, einer Eiweisskomponente sowie einer Kohlenhydratbeilage.

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Was, wenn man trotzdem hungrig wird?

Wenn man am Computer trotzdem Hunger bekommt, raten wir zu einem Gemüsedip mit Hüttenkäse oder Quark. Auch Nüsse sind normalerweise gute Snacks. Geht es aber nur um ein «Glüschtli», raten wir davon ab – dafür haben Nüsse zu viele Kalorien. Auch Tee, Kaffee oder Wasser zu trinken stillt den kleinen Hunger zwischendurch.

Und wenn man etwas Süsses möchte?

Eine kleine Portion Süsses pro Tag ist völlig okay. Man sollte sie jedoch direkt nach dem Mittagessen geniessen. So wird sie mit dem restlichen Menü verdaut und es gibt keinen unnötigen Blutzuckeranstieg am Nachmittag.

«Bei einer Ausgangssperre müssten wir Vitamin D einnehmen.»

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Céline Sommer arbeitet im Ernährungszentrum in Zürich. Während der Corona-Krise führen sie und ihre Kolleginnen die Beratungen per Telefon durch.

In einigen Ländern wurden bereits Ausgangssperren verhängt. Wenn das auch in der Schweiz geschieht, müssen wir dann unsere Ernährung umstellen?

Ja, das wäre sicher sinnvoll, denn schliesslich ist die Bewegung dann eingeschränkt. Da viele Menschen zu Übergewicht neigen, ist es wichtig, Gymnastikübungen in den Alltag einzubauen. Ausserdem sollte der Anteil der Kohlenhydrate reduziert werden – von einem Drittel auf einen Viertel pro Mahlzeit. Dafür kann mehr Gemüse und Salat gegessen werden. Der Konsum von Zucker und Fett sollte in dieser Zeit ebenfalls reduziert werden. Und wenn es wirklich länger gehen sollte, muss Vitamin D supplementiert werden – denn dieses können wir ohne Sonnenlicht nicht ausreichend produzieren.

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