Kultur & Nachtleben

«Hier schrieb der Teufel Tagebuch»

Text & Fotos: Sibylle Ledergerber

Auch in Zürich treiben Spukgestalten und Poltergeister ihr Unwesen. Geister-Stadtführer Reginald Dent nahm uns mit auf eine Tour – und lehrte uns das Fürchten.

«... doch sein Kopf wurde nie gefunden», sagt Reginald Dent und hebt bedeutungsschwer die Augenbrauen. Genau in diesem Augenblick weht eine eiskalte Brise über den Platz. In der Nähe fällt etwas krachend zu Boden. Einige in der Gruppe zucken zusammen. Doch das war nur der Wind … oder?

Das Wetter wäre für jede andere Stadtführung enttäuschend gewesen. Doch für einen Ghostwalk könnte die düstere, leicht regnerische Stimmung nicht besser passen. Wir befinden uns mitten auf der Tour von Geister-Stadtführer Reginald Dent. Eine Teilnehmerin schaut immer wieder unruhig über die Schulter zurück, das Ganze scheint ihr wohl nicht mehr so geheuer.

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«Es sind schon rund 50 Personen während der Ghostwalks in Ohnmacht gefallen», meint Reginald nur und lächelt. Schon seit 1998 unterhält er Touristen mit seinen Stadtführungen. Erst in seiner Heimatstadt York, die auch schon «Geisterhaupstadt von Europa» betitelt wurde. Ein Freund fragte ihn damals, ob er Lust hätte, eine seiner Geister-Touren zu übernehmen. Sieben Jahre wurden es schliesslich.

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Ausgerechnet auf einer Geistertour lernte Reginald seine spätere Frau, eine Zürcherin, kennen. «Es war eigentlich mein freier Tag», erinnert er sich. Doch ein Kollege sei krank gewesen und er habe dessen Tour übernommen. Geister als Verkuppler also? 2003 zog Reginald jedenfalls in die Schweiz. Heute bietet er nicht nur Geisterführungen an, der Paranormal-Entertainer lässt sich für Anlässe auch als Handleser buchen.

«Es sind schon rund 50 Personen während der Ghostwalks in Ohnmacht gefallen.»

Drängen wir uns beim Wandern zum nächsten Punkt auf der Tour etwas näher zusammen als sonst? Vielleicht. Aber nicht, weil wir fürchten, plötzlich von einer verkleideten Schreckgestalt angesprungen zu werden. Hier ist nur Reginald. Doch mit seinem langen eleganten schwarzen Mantel, der Ärztetasche, dem klaren britischen Englisch und seinem ernsten Blick, wirken die Geschichten auf uns Zuhörer. Dabei bleibt der Stadtführer noch nicht einmal bitterernst – mit seinem trockenen britischen Humor bringt er die Gruppe mehr als einmal zum Lachen.

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Der Geister-Stadtführer bringt uns im Niederdorf zu einem Haus. Dort soll ein hoher Priester gelebt haben. «Hier wurde aber auch das Tagebuch des Teufels geschrieben», erzählt Reginald. Das Tagebuch des Teufels? Im Niederdorf? Beschützt durch einen Poltergeist? Wir beäugen das Gebäude kritisch. Es wird wohl gerade renoviert und ist von Gerüsten verdeckt. Einladend wirkt es definitiv nicht – im Halbdunkeln, vor Nässe triefend und verlassen. Das Lied «Das alte Haus von Rocky Docky» kommt mir in den Sinn.

Bei Tageslicht wäre das Haus vermutlich nicht gross aufgefallen. Dennoch schauen die Zartbesaiteten der Gruppe nicht in seine Richtung. Wer weiss, vielleicht sieht man plötzlich einen der Schatten vorbeihuschen, von denen Reginald sprach – lieber volle Konzentration auf ihn.

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Einige wirken fast zu erleichtert, als wir uns schliesslich wieder in Richtung Ausgangspunkt bewegen. Der Geisterführer selbst hat übrigens noch nie einen Geist gesehen. «Je n’y crois pas, mais je les crains» – Ich glaube nicht daran, aber ich fürchte sie –, sagt er aber – ein Zitat der französischen Schriftstellerin Madame de Staël.

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Infos

Die Ghostwalks finden jeweils freitags ab 20 Uhr statt und werden in Englisch abgehalten. Treffpunkt ist vor dem Zeughauskellerbrunnen am Paradeplatz. Es ist keine Anmeldung nötig. Preis pro Person: 15 Franken. Weitere Infos findest du hier.