Heute kann man sich ja locker als Wurstgourmet bezeichnen. Dabei ist es noch nicht lange her, dass die Wurst als etwas galt, das nur von sehr gewöhnlichen Leuten gegessen wird.

Das auf den nächsten Zeilen folgende Lob der Wurst hat auch mit der nahenden Metzgete-Saison zu tun. In dem Bereich tut sich nämlich Seltsames: Weil die Spätsommer immer wärmer werden, kann man an sonnigen Oktobernachmittagen im Freien eine Schlachtplatte verspeisen. Das fühlt sich für mich nicht richtig an – früher waren Spaziergänge im frühherbstlichen Nebel und in warmen Jacken angesagt, bevor man sich im Kreis rotgesichtiger Bauern an Blut- und Leberwurst gütlich tat (und selbst einen roten Kopf bekam). Aber nun ja – Dinge ändern sich, und man wird mich bei Gelegenheit durchaus auf der Terrasse des Restaurants Alpenblick in Toggwil antreffen, mit der Familie einen Satz Blut- und Leberwürste mit Rösti und Apfelstückli teilend.

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Bio, mit schönem Biss, empfehlenswert!

Eine Wurst ist ja auch unterm Jahr etwas Feines. Man kann sie am Grill des Vorderen Sternen am Bellevue geniessen, wo tatsächlich gute Bratwürste angeboten werden. Oder an den Tischli der Hafen Enge Beiz, kürzlich von Laurence Keller und ihrem Vater Urs (Kreateur der legendären Wiedikerli) übernommen. Keller hat für das lässige Venture seiner Tochter noch mal eine neue Superwurst kreiert, die er unter dem Namen Zwingli laufen lässt. Bio, mit schönem Biss, empfehlenswert!

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Und warum sollte man sich nicht mal zu Hause eine Wurst zubereiten? Ich heize dafür am liebsten den kleinen japanischen Konro-Tischgrill ein, den ich bei Margoni-Grill beschafft habe; ein empfehlenswertes Gerät für den Glut-Fanatiker (bitte nur beste Kohle verwenden). Ich grilliere darauf am liebsten Kalbsbratwürste – etwas vom Allerfeinsten, das man sich im Bereich Fleisch gönnen kann (aus Gründen des Tierwohls immer Bio, von Coop oder Migros). Die tollsten, prallsten, schmatzigsten St. Galler Bratwürste gibt es bei Prétot an der Kuttelgasse. Ein extracooles regionales Angebot für zu Hause hat Mika’s, Herstellerfirma der Stadtjäger, die aus Schweinefleisch vom Waidhof am Seebacher Stadtrand Zürichs feine und wohlbekannte Trockenwürste herstellt. Die Eis-Zwickerli aus dem gleichen Fleisch lagern tiefgefühlt bei Mika Lanz und werden auf Bestellung binnen zwei Stunden vom Veloblitz ausgeliefert.

Man lernt, dass man Fleischzuschnitte verwerten kann, die sonst verschmäht würden.

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Kurse im Wurstmachen sind seit einigen Jahren sehr gefragt, ich habe auch mal einen absolviert und viel Freude gehabt. Allerdings braucht es echte Hingabe, um Gourmetwürste herzustellen. Ich überlasse das gern den Spezialist*innen, weil ich es weder liebe, Gerätschaften zu reinigen, noch das Sperrgut anschliessend wieder zu verräumen. Gut am Wurstkurs ist vor allem eins: Man lernt, dass die Herstellung nicht ganz einfach ist und dass man dabei Fleischzuschnitte verwerten kann, die sonst verschmäht würden. Wichtig ist, dass man immer genügend Fett zugibt, also zum Beispiel Halsspeck von einem artgerecht gehaltenen Schwein. Sonst wird die Geschichte trocken und ruft nach Saucen – aber genau die wollen wir eigentlich nicht, weil sie den Geschmack der Wurst überdecken.

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Und schon hast eine Pasta-Sauce, die Spass macht und weder viel Zeit noch Geld kostet.

Patrick Marxer hat mit seiner Unternehmung «Das Pure» in Sachen Gourmetwurst Pionierarbeit geleistet. Den von ihm gelegten Spuren gefolgt ist Tanya Giovanoli, die Tochter eines berühmten Engadiner Metzgers, dessen Rezepte sie für die heutige Zeit neu interpretiert – unter dem Namen «Meat Design», über den ich immer ein bisschen lächeln muss. Aber ganz ehrlich: Wenn’s mir pressiert, kaufe ich auch einfach mal eine Bio-Schweinsbratwurst vom Grossverteiler, schneide sie in Rugeli und brate sie in Olivenöl mit zwei, drei zerquetschten Knoblauchzehen an. Gutsch Weisswein dazu, reduzieren, dann halbe Flasche Passata angiessen, geschroteten Pfeffer und du hast eine Pasta-Sauce, die Spass macht und weder viel Zeit noch Geld kostet. Ein Kopfsalat dazu sorgt für Frische. Hat schon manchen Abend gerettet (es sei jedoch zugegeben, dass das Fleisch hier ein Luxus ist und nicht zwingend nötig wäre. Auch Bio gehaltene Tiere hätten wohl lieber weitergelebt). In eine Wurst kann man übrigens überhaupt nicht alles reinstopfen, was man sonst nicht mehr brauchen kann – eine lausige Haltung oder eine nicht fachmännische Schlachtung des Tieres haben Konsequenzen beim Geschmack, und zwar keine guten.

Wurstige Restaurant-Empfehlung: Kropf

Im Kreis 1 gibt es eine Menge netter Lokale. Das schrägste und spannendste von allen ist die Bierhalle Kropf. Ein Lunch im spektakulär ausgemalten Hauptraum des Kropf – die Bezeichnung der Malerei läuft auf der Webseite unter dem schön stabreimenden Namen «bayrischer Bierhallenbarock» – so ein Lunch ist wie eine Zeitmaschine und transportiert einen zurück in die Epoche, als man sich zum Mittagessen noch Zeit nahm und eine Flasche Wein vernichtete.

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Im Kropf treffe ich mich gern mit meinem Vater zum Kalbskopf-Essen, und auch die Würste da sind gut. Man bestellt eine Bratwurst mit Rösti und Zwiebelsauce (die gehört zur Rösti, nicht zur Wurst) und hat für 35 Franken (mit Getränk und Kaffee) in lustiger und origineller Umgebung gegessen. Das ist jetzt nicht gerade Top-Niveau, aber dafür eine perfekte Abwechslung zum Stress mit Zürichs gegen das Wochenende hin stets von weit vorausplanenden Leuten überlaufenen Hip-Lokalen. Die suchen wir dann nächstes Mal wieder gemeinsam auf. Wenn ich denn einen Platz bekomme!

Adresse

Restaurant zum Kropf
In Gassen 16
Beim Paradeplatz
8001 Zürich
Website

Öffnungszeiten

Montag bis Freitag, 11.30–14 Uhr und 18–23 Uhr
Samstag, 18–23 Uhr