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Ein Studio voller Porzellan

Marcel Krummenacher entwirft bunte Espressotassen, elegante Teelichter oder dezente Blumentöpfe. Der gelernte Keramik- und Glasdesigner vom Studio Sediment hat sich auf gegossenes Porzellan spezialisiert. Im Gespräch erklärt er, wie es zur Eröffnung seines Ateliers kam und warum seine Stücke fast eine Woche lang in den tausend Grad heissen Ofen müssen.

Marcel, wie kam es dazu, dass du dein eigenes Atelier gegründet hast?

Ursprünglich habe ich in Luzern Produktdesign – genauer gesagt Objektdesign – studiert. Im Studium hatte ich dann zum ersten Mal richtig mit Keramik zu tun. Und das hat mich irgendwie nicht mehr losgelassen. Deshalb bin ich für ein Erasmus-Semester nach Halle in Ostdeutschland gegangen, wo ich mich noch stärker mit dem Thema auseinandergesetzt habe.

Was geschah dann?

Ich habe meinen Bachelor in Luzern abgeschlossen und bin danach für einen Master im Fachbereich «Porzellan, Keramik und Glas» zurück nach Halle, wo diese Spezialisierungen eine jahrhundertealte Tradition haben. Insgesamt war ich ganze zweieinhalb Jahre dort.

Dennoch bist du zurück nach Zürich gekommen. Weshalb?

Ich hatte den Wunsch, es in Zürich mit meinem eigenen Atelier zu versuchen. Das zog mich zurück nach Hause. Ich habe mir jedoch zuerst einen Job als Produktdesigner gesucht und nebenbei langsam mein Unternehmen aufgebaut. Ein langwieriger Prozess begann – von der Suche eines passenden Ateliers bis hin zur Gestaltung der eigenen Website. Ich habe dann nach und nach mehr Arbeitszeit für mein Studio Sediment eingeplant und seit August 2020 bin ich zu 100 Prozent hier.

Meine Technik unterscheidet sich von der typischen Töpferdrehscheibe.

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Ist das Studio Sediment ein Ein-Mann-Unternehmen?

Ja, das kann man so sagen. Seit Kurzem habe ich aber auch immer wieder Praktikant*innen, die mir zur Hand gehen.

Wie stellst du deine Produkte her?

Die meisten von uns kennen die typische Töpferdrehscheibe, auf welchem man Ton oder Porzellan formen kann. Ich jedoch arbeite mit einer anderen Technik, nämlich mit dem Giessen von flüssigem Porzellan. Diese Technik kommt oft in grösseren Manufakturen zum Einsatz und unterscheidet sich vom Formen an der Drehscheibe.

Inwiefern?

Für meine Arbeit brauche ich zuallererst einmal eine Giessform aus Gips. Das heisst, ich gestalte zuerst eine Art Prototyp aus Gips – das sogenannte «Positiv» im Giessprozess. Von diesem Positiv mache ich dann einen Abdruck – das «Negativ», welches mir dann als Giessform dient.

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In das Negativ giesst du also das flüssige Porzellan?

Genau. In das Negativ wird die flüssige keramische Masse eingefüllt. Das Gipsnegativ beginnt dann dem Porzellan Wasser zu entziehen und dadurch kann ich auch die Wandstärke des jeweiligen Produkts beeinflussen. Je länger ich die flüssige Masse in der Gipsform lasse, desto stärker und dicker werden die Wände. Sobald ich die gewünschte Stärke erreicht habe, schütte ich die überschüssige Porzellanmasse aus der Form. Und übrig bleibt dann ein Hohlkörper.

Und fertig ist die Tasse?

Nein, ganz so einfach ist es nicht. Jedes Objekt muss händisch nachbearbeitet werden, was recht aufwendig ist. Zuerst kommen der Feinschliff und das Verputzen. Dann wird das Objekt geschliffen, gebrannt, glasiert und nochmals gebrannt.

Eine Tasse muss also zweimal in den Ofen?

Ja, genau. Es gibt einen sogenannten Vorbrand bei etwa 1000 Grad Celsius. Dieser sorgt dafür, dass das Material fest wird, aber noch nicht dicht brennt. Erst danach kann man die Tasse glasieren. Ansonsten würde die Glasur nicht richtig haften. Es folgt der sogenannte Glasurbrand bei etwa 1260 Grad. Dieser Brand führt schliesslich dazu, dass die Glasur ausschmilzt und verglast.

Alle meine Stücke entstehen aus Hunderten verschiedenen Experimenten mit dem Material.

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Und wie lange dauert der Brand?

Sehr lange. Fast drei Tage sind die Objekte pro Brand im Ofen. Dabei werden sie acht Stunden lang bis auf die Maximalstufe gebrannt und kühlen dann langsam ab. Während dieses Prozesses findet auch die sogenannte «Schwindung» statt: Vom gegossenen Produkt bis hin zum Glasurbrand wird das Stück circa 15 Prozent kleiner.

Was zeichnet deine Kreationen aus?

Zum einen spiegeln sie meinen Hang zu absoluter Genauigkeit wider. Sie sind sehr klar in Form und Farbe. Gleichzeitig versuche ich immer auch etwas Experimentelles zu wagen. Alle meine Stücke entstehen aus Hunderten verschiedenen Experimenten mit dem Material. Und ich hoffe, dass man das meinen Produkten auch ansieht.

In deinem Atelier stellst du nicht nur Objekte aus Porzellan her. Du bietest auch Kurse an.

Ja, genau. Der beliebteste ist der Porzellangiesskurs. In rund vier Stunden führe ich die Teilnehmenden in das Giessen ein und erkläre die drei Schwerpunkte Technik, Farbe und Form. Gleichzeitig produzieren alle Teilnehmenden jeweils vier eigene Produkte, die sie nach dem Brennen mit nach Hause nehmen können.

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