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«Manchmal gibt es nur das Kind»
Fränzi Akert ist Käserin, Agronomin, Mitinhaberin der Schokoladenmanufaktur Garçoa und Mutter eines kleinen Sohnes. Weshalb wir weniger industriell gefertigte Lebensmittel haben sollten und wie Schoggi das Leben einer Schoggiproduzentin ist, hat sie uns im Interview erzählt.
Du machst Schokolade. Wieso fandest du, dass die Schweiz noch eine weitere Schoggi braucht?
Gute Frage. Ich habe vorher Käse gemacht, da fand ich: Ich muss nun auch noch Schoggi machen. Angefangen hat alles mit einer Reise nach Peru. Dort habe ich ein Praktikum bei einem Kakaohändler gemacht, der mit Kooperativen zusammenarbeitete. Aufgrund meines Backgrounds als Käserin habe ich ihn gefragt, wie er das eigentlich mit dem Fermentieren genau macht. Denn das Fermentieren braucht man auch beim Käsen. Mich hat es also wundergenommen, wie das bei der Kakaobohne genau ist.
Und dann wurde aus einer Käserin eine Schokoladenproduzentin?
Noch nicht ganz. Ich wollte mein Milch-Fermentations-Know-how auf den Kakao anwenden und auf die Bedürfnisse der Kakaoproduzenten und -händler eingehen. Die Kakaoproduzenten sagten, das hätten sie eigentlich in dieser Form noch nie gemacht. Aber: Sie hatten Schwierigkeiten, beim Fermentieren eine hohe Qualität zu erlangen, oder sie hatten zu viel Verlust, weil die Kakaobohnen teils verfaulten. Ich kam ihnen also gerade recht. So ging ich für sechs Monate nach Peru, um herauszufinden, wie man die Qualität der Kakaobohnen verbessern kann.
«Lebensmittel sind etwas Lebendiges.»
Dann warst du angefixt?
Ja. Ich habe so viele Kakaobohnen probiert und alle schmeckten unterschiedlich. Zwischendurch kamen Freunde aus der Schweiz zu Besuch. War ja klar, was sie mitbringen: Schokolade. Ich ass sie und merkte: Diese Schoggi hat so gar nichts mit dem Geschmack der Kakaobohnen zu tun, die ich hier probierte. Die Schokolade aus der Schweiz schmeckte irgendwie so gar nicht nach Kakao. So kam der Wunsch auf, hier in Zürich eine Schoggimanufaktur aufzuziehen. Schliesslich gibt es beispielsweise ganz viele kleine Käsereien und eine grosse Milchindustrie – in der Schokoladenbranche hingegen gibt es nur die grosse Industrie.
Also hast du kurzerhand eine kleine Manufaktur gegründet?
Kurzerhand ist etwas übertrieben. Aber die Motivation war klar da, eine kleine Firma zu gründen, keinen Industriestandard. Mir ist es bei Lebensmitteln generell wichtig, dass sie nicht aus industrieller Produktion stammen.
Wieso?
Lebensmittel sind etwas Lebendiges. In industrieller Produktion wird jedoch alles möglichst genormt. Das ist doch schade. Das ist dann kein Lebensmittel mehr, sondern nur noch ein Nahrungsmittel. Ich blieb dran. Auch wenn mir alle gesagt haben: Das kannst du nicht machen, du brauchst eine grosse Maschine, sonst wird die Schoggi nicht fein. Ich habe aber von den Master Brothers in Brooklyn gehört, das waren die Ersten, die Bean to Bar gemacht haben. Und als das nächste Mal ein Bekannter nach Amerika flog, habe ich ihn beauftragt, so eine Maschine, die man für Bean-to-Bar- Schokolade benötigt, mitzubringen.
Bean to Bar – die Kakaobohne gelangt direkt in die Tafel Schokolade. Das schmeckt man?
Oh ja. Das Ziel von meinem Co-Gründer Andi und mir war es, dass man eben wirklich jede Kakaosorte herausschmeckt. Das geht nur, wenn man die gesamte Verarbeitung in kleinen Chargen von der Bohne bis zur Tafel selbst übernimmt. So schmecken die Bohnen aus dem Norden Perus beispielsweise viel säuerlicher, flüchtiger als jene aus dem Amazonas.
Du bist ursprünglich gelernte Käserin. Wie kommt man aus der Vorstadt zum Käsen?
Als Kind war ich mit meiner Familie in einem Maiensäss. Wir gingen wandern, und plötzlich standen wir in einer Käserei. Ich war total fasziniert und dachte mir: Irgendwann, wenn ich auch so alt bin wie diese Käser, dann mache ich das auch.
Dann kam alles anders.
Das kann man so sagen. Das Studium der Agronomie an der ETH gefiel mir nicht. Also sagte ich mir: Ach komm, ich geh mal käsen. Gesagt, getan: Ich habe in einer coolen Käserei eine Lehre gemacht. Ich wusste aber immer, dass ich danach an die ETH zurückgehe, schliesslich wollte ich nicht, dass diese zwei Jahre des Studiums umsonst gewesen waren. Nach dem Bachelor an der ETH habe ich sogar den Master gemacht. Und letztes Jahr den Doktor abgeschlossen.
«Ich liebe Schokolade, aber ich selbst esse auch nicht eine ganze Tafel»
Herzlichen Glückwunsch. Aber Moment mal: Schoggi, Doktorarbeit und Kind?
Ja. Zum Glück war mein Mann Dani dann eine Zeit lang daheim. Wenn er jetzt auch noch auf Tour gewesen wäre, dann wäre das alles nicht gegangen. Aber so ist es ja immer: Man fängt irgendwann mal an und mittendrin verändern sich die Lebenssituationen. Andi und ich haben 2013 begonnen, für Garçoa zu pröbeln. 2015 haben wir dann eine Firma gegründet und dann wurde ich ein Jahr später auch schon schwanger. Mein Geschäftspartner Andi hat seine Stelle 2016 gekündigt und ging all in mit Garçoa. Ich habe gesagt, ich mache meine Doktorarbeit fertig, die ich 2014 angefangen hatte. Und dann kam mein Sohn Mauro zur Welt. Die Doktorarbeit habe ich beendet, aber zugegeben: Das war schon etwas viel aufs Mal. Nach Abschluss der Arbeit war ich dann auch 80 Prozent für Garçoa tätig.
Hat Mauro alle Pläne auf den Kopf gestellt?
Ich steckte mitten im Firmengründungsprozess, habe 100 Prozent an der Doktorarbeit gearbeitet und war schwanger. Da habe ich gleich eine neue Maschine gekauft, damit Andi entlastet ist. Denn die Maschine konnte bei einem bestimmten Prozess, den wir vorher gemeinsam ausführen mussten, übernehmen. Ich war ja nicht mehr da für eine gewisse Zeit. Während des Mutterschaftsurlaubs haben wir natürlich einige Entscheidungen gemeinsam getroffen. Aber ich blieb verschont vom Tagesgeschäft, was wirklich cool war.
Das Mami macht Schoggi. Darf Mauro mehr Schokolade essen als andere Kinder?
Er findet das natürlich schon cool. Ich liebe Schokolade, aber ich selbst esse auch nicht eine ganze Tafel, sondern einfach hin und wieder ein Täfeli. Aber er ist schon ein Schoggi-Tiger.
Mauro und Garçoa sind also ein Herz und eine Seele?
Wenn es ums Essen geht, klar. Ich bin vielleicht jemand, der gut viele Dinge gleichzeitig machen kann. Aber wenn man mit seinem Kind ist, dann kann man nur genau das machen: mit seinem Kind sein. Mein Schlüsselerlebnis ist ein ganz simples: Ich musste einmal eine einzige Mail schreiben. Und ich dachte den ganzen Tag über, das schaff ich schon, aber es ging irgendwie nicht. Es war wie verhext: Ich konnte den ganzen Tag nichts am Laptop machen und war die ganze Zeit voll verkrampft deswegen. Das Learning? Manchmal gibt es eben nur Mauro. Und das ist auch gut so.
Kooperation
Dieses Interview erschien ursprünglich auf Tadah. Das Online-Magazin für Eltern schreibt nicht nur über Vereinbarkeit, sondern lebt sie auch: Tadah betreibt in Zürich auch ein Co-Working-Space mit Kinderbetreuung.