Essen & Trinken | In der Beiz

Auf diese Art von Fleisch kann ich gut verzichten

Der Besuch im «Relais de l’Entrecôte» war unterwältigend, und man hätte das im Voraus wissen können. Derweil befassen sich weltweit Aberhunderte Start-ups mit dem Thema Fleischersatz – obwohl wir so was gar nicht bräuchten. Zusammenhang? Ja.

Zwischen Bürkliplatz und Storchengasse gibt es eine ziemliche Konzentration von Gastronomie, von der guten wie von der nicht so tollen Sorte. Kürzlich spazierte ich – es war einer der raren regnerischen Abende – unangemeldet ins «Relais de l’Entrecôte» hinein. Natürlich rein berufshalber.

Ein beliebig multiplizierbares Konzept

Das Dinner in diesem Relais war ein Erlebnis der medium-raren Sorte. Weil ich gleichzeitig mit zwei schwarzbärtigen Mittzwanzigern in den Windfang trat und die Empfangsdame uns für eine Gruppe hielt, setzte ich mich mit Waleed und Mohammed aus Dubai zu Tisch in der Absicht, ein bisschen den freundlichen helvetischen Gastgeber zu markieren. Tagsüber waren sie zum Rheinfall gefahren, morgen würden sie weiterreisen, gaben sie auf meine Fragen Auskunft, und ich erfuhr auch noch einiges mehr.

Sponsor

«In der Beiz» wird durch Jsotta Senza ermöglicht. Die alkoholfreie Variante des mehrfach goldprämierten Schweizer Vermouths Jsotta ermöglicht allen ein authentisches alkoholfreies Aperitif-Erlebnis. Jsotta Senza ist im Getränke-/Fachhandel sowie online erhältlich.

Aber zum Lokal: Dieses Relais de l’Entrecôte ist ein skalierbares Franchisekonzept, für das «typisch französische» Brasserie-Möbel mit rotem Kunstlederbezug in einen bestehenden Raum hineingeschreinert werden. Es gibt eine Auswahl beliebiger Weine und es gibt – aus Gründen der Skalierbarkeit – nur ein Menü: Salat mit Baumnüssen und Steak frites, serviert in zwei Gängen auf Desserttellern. Zum im Robespierre-Stil aufgeschnittenen Steak wird «seine berühmte Sause» gereicht (Zitat Webseite), die einzige Wahl, die man hat, ist die Garstufe. Das Personal ist freundlich und routiniert (kein Wunder bei der Speisekarte), die Maître d’Hôtel ist eine auffällig schlanke Frau aus Russland, die ihre Truppe eisern im Griff zu haben scheint und die bei den Gästen aus dem Bankenquartier sicher beim Nachmittagsschwatz des Öfteren ein Thema ist.

Zu Tisch mit den Jungs aus Dubai

Die beiden jungen Männer tranken im Gegensatz zu mir keinen Wein und waren mit dem Konzept des Lokals vertraut, ich versuchte derweil (vor allem mir selbst) zu erklären, warum ich in ein solch uninteressantes Restaurant überhaupt einen Fuss gesetzt hatte. Keine Auswahl, keine klare Deklaration der Fleischherkunft, die Auswahl von bezahlbaren Weinen besonders im Offenbereich eine völlige Tristesse – und aus religiösen Gründen wollte keiner von meinen beiden Tischgenossen eine Flasche mit mir teilen. Das Gespräch verlief irgendwie schleppend. So viel fand ich heraus: Die beiden studierten Ingenieure, über deren berufliche Tätigkeit nichts zu erfahren war, kamen grad aus einem etwa zweijährigen Corona-Lockdown und waren einfach nur froh, nach dem diesjährigen Ramadan in einem Land unterwegs zu sein, das keine Maskenpflicht mehr kennt. Der eine war bereits wieder geschieden, für den anderen würde «Mutter in drei, vier Jahren eine Frau suchen». Das Relais de l’Entrecôte kannten sie schon – von seiner Filiale in Dubai (gemäss Google – wohl seit Corona – «dauerhaft geschlossen»). Aktive Filialen gibt es in Doha, Ryad, Jeddah und Kairo, ausserdem drei in Paris und eine in Genf.

image

Der Untergang

Nun ja, über ein Lokal, das nur ein Gericht serviert, gibt es wenig zu berichten. Die Fleischqualität war in Ordnung, über die Fritten kann ich nichts Schlechtes sagen. Die Sauce ist für meinen Geschmack zu fettig und es fehlt ihr der prononcierte, leicht animalische Geschmack von weissem Pfeffer, wie man ihn vom Genfer «Café de Paris» kennt. Vermutlich hätte ich einfach meine Hausaufgaben machen und die Webseite des Lokals vor meinem Besuch checken sollen, dann wäre ich nicht zum Schluss eines doch eher seltsamen Abends noch gedemütigt worden, indem die beiden Youngsters routiniert die Rechnung übernahmen, weil ich in meiner Zürcher Behäbigkeit davon ausgegangen war, dass die Dolorosa mir gereicht würde – aus Senioritätsgründen und weil ich nach ihr verlangt hatte.

Davon ausgehend, dass ich weder Waleed noch Mohammed in meinem Leben je wiedersehen würde, akzeptierte ich die Niederlage zähneknirschend, aber ohne eine Schau abzuziehen, wie das Männer ab einem gewissen Alter gerne zu tun pflegen. Na, stimmt nicht ganz – ich machte noch einen Witz, um ein humoristisches Streiflicht auf die Schweizer Mentalität zu werfen: «Also wenn ich gewusst hätte, dass ihr mich einladet, hätte ich einen teureren Wein bestellt, haha.» Keine Ahnung, ob der Joke ankam, wie ich das geplant hatte. Anschliessend nahm ich meinen Abschied.

Fleischersatz – eine fragwürdige Industrie

Der Abend kam mir erst wieder in den Sinn, als ich im Juni einen Tag am Gottlieb Duttweiler Institut GDI in Rüschlikon verbringen durfte, wo sich Experten der weltweiten Fleischersatz-Szene trafen, um ihr aktuelles Wissen mit Protagonist*innen aus der Schweizer Lebensmittelbranche zu teilen. Einen Tag lang ging es darum, wie viel Geld derzeit in Start-ups investiert wird, die das alleinige Ziel haben, möglichst echte Surrogate für Produkte von Nutztierhaltung zu erzeugen.

Im Bereich der Milchprodukte halte ich diese Bestrebungen für sinnvoll. Um rahmige Texturen oder Ausgangsprodukte für Käse zu erzeugen, wird neu die sogenannte Präzisionsfermentation als Basistechnologie eingesetzt. Dabei werden speziell gezüchtete Hefebakterien darauf trainiert, bestimmte Proteine zu erzeugen.

Fleischersatzprodukte hingegen kommen jeden Monat die Menge auf den Markt und ich probiere immer mal wieder etwas davon aus; oft schmeckt es scheusslich, bestenfalls nach nichts. Das Problem am Ganzen, wie auch Referentin Christine Schäfer zum Einstieg in die Tagung sagte, ist aber gar nicht der Geschmack, sondern die Tatsache, dass wir ohnehin zu viel Protein konsumieren. 0,8 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht seien mehr als ausreichend, sagte Schäfer. Durchschnittliche Europäer*innen konsumieren jedoch täglich rund 40 g mehr Protein, als ihre Körper wirklich benötigen. Typischerweise entstammt dieser Protein-«Overshoot» dem Konsum tierischer Produkte, oder neu halt den völlig überflüssigen, hochprozessierten Fleischersatzprodukten.

image

Es ist nicht wegen des Proteins

Ich muss hier verkürzen, aber die Zahlen sprechen ja für sich: Mit einer vielseitigen Ernährung und pro Woche vielleicht drei Mal magerem Fleisch aus strikt regionaler Produktion (und nicht Aktionsfleisch aus Uruguay, wie man es regelmässig bei den Grossverteilern findet) ist der menschliche Proteinbedarf locker gedeckt. Die Devise muss derweil lauten: Weg vom Konsum sogenannter Edelstücke wie Filet und Entrecôte, hin zum Zubereiten nach den Grundsätzen von Nose to Tail. Es gibt genügend andere gute Stücke am Tierkörper, man muss sie nur zuzubereiten wissen.

Das Verspeisen von Steak frites ist eine angenehme Tradition und es spricht nichts dagegen, sie zwei, drei Mal jährlich zu zelebrieren. Dies aber regelmässig zu tun, wenn man ins Restaurant geht, hält eine weltweite Industrie am Leben, die zur aktuellen Klimakrise mehr als einen kleinen Beitrag geleistet hat. Und deren letztliche Konsequenz ist, dass die Auswahl an Lebensmitteln auch für Normalverdienende bald sehr stark eingeschränkt werden wird. Ein Widerspruch, mit dem wir nicht leben müssen, wenn wir das tägliche Tieropfer im Zeichen unseres Proteinhaushalts endlich hinter uns lassen.

Anzeige

Adresse

Le Relais de l’Entrecôte
In Gassen 5
8001 Zürich
Website