Menschen & Leben

Heart Throb Mob: Kollektiv erweitert die Zürcher Drag-Szene

Text: Anna Rosenwasser Bilder: Alexandra Moskovchuk

Drag Queens kennen die meisten. Was aber ist mit Drag Kings und Drag Quings? Die Gruppe The Heart Throb Mob stellt Geschlechterrollen auf den Kopf und ermuntert andere, sich ihnen anzuschliessen.

«Love comes in many colors» steht auf dem Bildschirm, bevor der Blick der Kamera auf eine Kirche schwenkt. Davor kommen gut gelaunte Menschen zusammen, je in einer Regenbogenfarbe gekleidet und mit feierlichem Luftballon in der Hand. Sie tanzen in die Kirche, wo «I Want to Break Free» von Queen ertönt. Es trudeln Gäste ein, das Heiraten beginnt, mehrere Paare geben sich gegenseitig das Ja-Wort.

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Es ist die Eingangsszene eines Ehe-für-alle-Videos, das vor der entsprechenden Abstimmung einige Aufmerksamkeit erlangt hat. Hinter dem Clip – beziehungsweise vor der Kamera – stehen Leute aus dem Heart Throb Mob: Frauen und nichtbinäre Menschen, die als Teil einer politischen Performance mit Maskulinität und Androgynität spielen.

Weniger bekannt ist, dass es nicht nur Drag Queens gibt, sondern auch Drag Kings.

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Die Kunstform des Drag, zu der dieses Kollektiv sich zählt, ist vielen eher bekannt durch Drag Queens: Meistens sind das als Männer gelesene Personen, die mit der Konzeption von Feminität als Teil einer Performance spielen. Weniger bekannt ist, dass es nicht nur Drag Queens gibt, sondern auch Drag Kings und Drag Quings: Menschen, die auch cisnormative Männlichkeit künstlerisch ad absurdum treiben und mit Geschlechterkonzepten von Maskulinität und Feminität spielen.

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Während sich in Zürich Auftritte und Anlässe mit Drag Queens seit Jahren einiger Beliebtheit erfreuen, waren Drag Kings und Quings bisher weniger sichtbar. Auch deshalb hat sich das Kollektiv Heart Throb Mob gebildet: «Wir sind eine lose Gruppe aus queeren Menschen, die sich darüber kennengelernt haben, dass wir gerne in Drag performen», erzählt Jovana Hitz alias Jo DyKing. «Drag Kings und Quings gibt es auch in Zürich, aber sie waren lange weniger sichtbar und wurden weniger angefragt für queere Partys und Events. Der Heart Throb Mob zeigt: Es gibt auch andere Formen von Drag als konventionelle Drag Queens.»

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«Wir wollen Leute motivieren, sich auszuprobieren und spielerisch mit dem Thema Geschlecht umzugehen.»

Das Kollektiv will aber nicht nur mehr Platz auf Bühnen, sondern lebt Solidarität unter den Performer*innen: «Community und Unterstützung sind essenziell», sagt Lovis Heuss alias Justin Bellini Case dazu. «Es geht darum, sich gegenseitig zu stärken, sich auch über Unsicherheiten austauschen zu können, anstatt gegen aussen perfekt zu sein. Wir wollen weitere Leute motivieren, sich auszuprobieren und spielerisch mit dem Thema Geschlecht umzugehen.» Das Ehe-für-alle-Video, in dem einige aus dem Heart Throb Mob mitgemacht haben, ist nur eines der Projekte des Kollektivs, das eine Plattform sein soll für kleine und grosse Drag-Ideen.

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Derweil geht der politische Aspekt weit über diese Abstimmung hinaus: «Drag hinterfragt Normen. Sobald das, was gesellschaftlich gegeben ist, infrage gestellt wird, ist dies eine Art von Revolution», so Jovana. «Drag kann queere, alternative Welten herstellen, die inklusiver und diverser sind, und so gesellschaftliche Regeln kritisieren.» «Und Drag macht auch einfach mega Spass», ergänzt Kathrin Brogli alias Luke Lovehandles. «Die Spielfreude ist in der Gruppe noch grösser. Wir können uns – neben den politischen Aspekten – verkleiden, spielen, verschiedene Seiten an uns erkunden.»

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In anderen Städten und Ländern ist die Szene der Drag Kings und Quings sehr lebendig.

Das Kollektiv erhofft sich, damit auch Raum zu schaffen für Leute, die Drag selbst ausprobieren und sich eventuell auch mit dem eigenen Gender auseinandersetzen wollen. Damit erfindet der Heart Throb Mob aber nichts Neues: In anderen Städten und Ländern ist die Szene der Drag Kings und Quings sehr lebendig, berichtet auch Jules Manning alias Tallboy. «Ich habe in Vancouver, Kanada, angefangen mit Drag, dort ist die Szene seit Jahrzehnten sehr lebendig, unter anderem mit monatlichen Partys.» Diese Lebendigkeit nimmt sich der Heart Throb Mob zum Vorbild. Und tanzt in Regenbogenfarben für Vielfalt innerhalb und ausserhalb der Drag-Szene.

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