Kultur & Nachtleben

«Ich liebe Zürich. Aber jede Liebe ist kompliziert»

«Chumen abe, chume i mini Stadt. Vom Stadel, vom Stadel bis zum Limmatplatz.» Big Zis und Marton di Katz haben mit dem Song «H.O.N.I.G.» eine zwiegespaltene Hommage an Zürich geschrieben. «Die Stadt hät kei Hymne verdient, Gwünn maximiert, das isch Chrieg» rappt Big Zis im düsteren Hybrid aus Rap und Elektronik. Und trotzdem klingt dieser Song wie eine Liebeserklärung, einfach eine ungeschönte. Ein Gespräch mit den beiden Künstlern.

Big Zis und Marton di Katz, euer neuer Track dreht sich um eure Heimatstadt Zürich. Wie ist das Projekt zustande gekommen?

Big Zis: Marton di Katz hat mir eine Auswahl von seinen Beats geschickt und beim Honig-Beat wusste ich gleich, dass das etwas ganz Besonderes ist, und habe zugegriffen.

Marton di Katz: Und Zis stand eine Woche später bei mir im Studio, rappte den Text ein und ergänzte das Stück um eine weitere Ebene. Das Schöne an der Zusammenarbeit in der Musik ist, dass aus etwas zuerst ganz Eigenem etwas Neues, noch Grösseres wird.

Big Zis: Dann haben wir ein Konzept für den Clip erarbeitet. Mithilfe der Regisseurin Luisa Ricar sind stimmige Bilder zur Musik entstanden. Also noch eine weitere Ebene. Der Cast besteht ausschliesslich aus Freund*innen – wer grad da war und Lust hatte, mitzumachen. Und natürlich die Profi-Skaterin Liv Broder. So ein toller Teenie! Mit diesem Quote oute ich mich grad zur uncoolen Mittvierzigerin.

«Mir war von Anfang an klar, dass ich eine Hymne an Zürich nicht kritiklos fertigbringe.»

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Was wollt ihr mit dem Song ausdrücken, welche Botschaft vermitteln?

Marton di Katz: Zum Text lasse ich besser Zis reden. Aber beim Entstehen der Musik hatte ich das Gefühl, dass dem Beat etwas Böses innewohnt, aber trotzdem eine vorwärtsstrebende Energie da ist. Und das war wohl ein idealer Boden für den danach entstandenen Text.

Big Zis: Das erste Ziel bei jedem Lied ist, gute Musik zu machen für mich und für andere. Dann wollte ich eine Hymne an Zürich schreiben, obwohl mir natürlich von Anfang an klar war, dass ich das nicht kritiklos fertigbringe. Also ist es stattdessen eine Hymne an die Zürcher*innen geworden, an all die fleissig schuftenden Bienen, die schlecht bezahlte oder unbezahlte Arbeit leisten und damit den ganzen Betrieb am Laufen halten in einer Stadt, die von Geld und Gewinnmaximierung dominiert ist. Wenn ich zum Beispiel durch die Europaallee flitze, staune ich nicht schlecht über all die schicken Läden mit diesen komplett unnützen und überteuerten Dingen. Wer braucht das denn alles, wer kann sich das denn leisten? Und wer oder was wurde durch die Aufwertung, durch die teuren neuen Wohnungen und Läden verdrängt? Ich habe gar nichts gegen Veränderung und «Verschönerung», wenn sie aber nur den zahlungskräftigen Zürcher*innen zugute kommt, ist es eben Gentrifizierung. Und dagegen habe ich sehr wohl was.

«Zürich ist Heimat für mich, gleichzeitig kann die Stadt so brutal sein.»

Ihr sprecht von einer «einer ungeschönten Liebeserklärung». Was macht Zürich dennoch liebenswert?

Big Zis: Ich liebe Zürich. Ich bin zwar nicht hier geboren, die Chance, dass ich hier sterben werde, ist jedoch gross. Aber die Liebe ist kompliziert. Zürich ist Heimat für mich, hier leben meine engsten Freund*innen, und gleichzeitig kann die Stadt so brutal sein. Sie ist kalt und lässt seit den letzten 25 Jahren kaum noch Platz für selbst verwalteten Freiraum. Ungeschönte, unfertige Ecken finden sich kaum. Ohne Geld geht hier nicht viel. Eigentlich ist sie die «Hauptstadt» der Schweiz, und darauf bilden wir uns alle etwas ein. Und stell dir vor, wir haben Berg, Fluss, See – fehlt nur noch das Meer zum perfekten Glück.

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Marton di Katz: Ich bin hier geboren und aufgewachsen, insofern sehe ich natürlich auch ein Zürich, das nicht nur dem entspricht, was Zis mit der kalten Stadt beschreibt oder was Auswärtige auf den ersten Blick damit assoziieren: die Freund*innen, die Parks, den See, den Wald, die kleinen, alten Quartierbeizen, die teilweise ziemlich versteckt sind, und solche Dinge. Trotzdem nehme ich dieses plakative Zürich und die Veränderungen der genannten 25 Jahre wahr und hoffe, dass sich das langsam ein wenig einpendelt. Es wimmelt zwar von Clubs und Optionen, was auch cool ist so, aber die Freiräume unserer Jugend, wie es sie in den 90ern oder Anfang 00er noch gab, sind schwierig zu finden. Und gerade für junge Menschen finde ich das essenziell.

«Die fleissigen Bienen sind unermüdlich, bis zum Burn-out.»

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Und woher der Name des Tracks?

Marton di Katz: Zis hat immer schon gerne Honigbrot gegessen, das ist ein offenes Geheimnis. Die Botschaft des Titels ist aber doch ein wenig tiefgründiger. Oder, Zis?

Big Zis: Ich finde schon. Die fleissigen Bienen produzieren Honig, Gold, einen Mehrwert, der – wie schon gesagt – der Motor dieser Stadt und ganz generell des menschlichen Lebens ist. Sie schaffen Beziehung und sind darin unermüdlich, bis zum Burn-out. H.O.N.I.G. – oder als Anfangsbuchstaben: Ha Oder Nöd, Ich Gib.

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