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«Unser Motto ist: ‹Einfach mal machen›»

Text: Eva Hediger Fotos: Jasmin Frei

Johanna Seeliger und ihr Ehemann haben zwei Daheime: ein Haus in einer 480-Seelen-Gemeinde und eine Gross-WG mitten im Kreis 4. Johanna schätzt ihre vier temporären Mitbewohner – und den Blick auf die Strassen.

«Atelier Urlaub» steht auf dem Briefkasten. Darunter sind sechs Namen angebracht – darunter auch jener von Johanna Seeliger. Sie ist erst vor Kurzem in die Wohngemeinschaft gezogen, in der ihr Mann Beat schon seit Jahren lebt. «Ich habe schon immer gerne und viel Zeit hier verbracht», sagt Johanna. Trotzdem schläft sie nur maximal drei Nächte pro Woche hier. Denn eigentlich lebt Johanna in Schwändi im Kanton Glarus. «Wir besitzen dort ein Haus.» Bereits vor Jahren hat es das Paar auf einer Wanderung entdeckt. «Ich war sofort verliebt.» Doch erst im Herbst 2018 stand das Haus zum Verkauf. «Dann ging alles sehr schnell.»

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Ganz auf Zürich kann Johanna nicht verzichten. «Es würde mir persönlich vermutlich reichen, wenn ich einen Tag pro Woche hier wäre», so Johanna. Dass es manchmal mehr werden, liegt an ihrem Business: Die Betriebswirtschafterin führt das Start-up Diversify. Es unterstützt vor allem kleine und mittelständische Firmen bei der Angestelltensuche. «Frauen und Minderheiten profitieren von besseren Entscheidungsprozessen, vor allem aber die Firmen selbst», erklärt Johanna. Viele ihrer Kunden haben den Firmensitz in Zürich. «Das Networking hier ist wichtig.»

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Doch auch den privaten Austausch braucht Johanna. Sie findet es toll, zumindest teilweise mit fünf Leuten ihr Zuhause zu teilen. «Ich glaube, dass das auch unserer Beziehung guttut», sagt sie und lacht. «Viele erwarten ja, dass man nach der Hochzeit zu einer Einheit verschmilzt.» Doch Johanna findet das einen gruseligen Gedanken: «Ich bin schliesslich ein Individuum.» So vertritt sie auch an WG-Sitzungen manchmal eine andere Meinung als Beat.

«Ich habe schon immer gerne und viel Zeit hier verbracht.»

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An den Sitzungen werden die unterschiedlichsten Punkte besprochen. «Aber ehrlich gesagt ist das WG-Motto schon eher: ‹Einfach mal machen›.» Eine Mitbewohnerin hat nach einem Aufenthalt in Marokko eine Katze mitgebracht. «Das fanden alle toll.»

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Sowieso sei die WG ziemlich entspannt. «Anders ginge es auch nicht – die Wände sind ziemlich dünn.» Die Wohnung befindet sich in einem ehemaligen Lagerhaus. Vor knapp 20 Jahren bauten Architekten sie schliesslich in eine 7-Zimmer-Wohnung um – mit nur einem Bad und WC. «Das macht uns eigentlich keine Probleme», so Johanna. «Wir haben alle einen total anderen Rhythmus.»

Die meisten Möbel in der WG stammen aus dem Brockenhaus oder aus aufgelösten Ateliers.

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Was in der Wohnung gehört Johanna? Sie zeigt auf ein Bild. «Das hing aber schon vor meinem Einzug da.» Fast alle ihre Sachen sind in Glarus. Das sei manchmal ärgerlich, so Johanna. Besonders ihre Bibliothek und das DJ-Pult vermisse sie, wenn sie in Zürich sei.

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Die meisten Möbel in der WG stammen aus dem Brockenhaus oder aus aufgelösten Ateliers. Die Kunst ist von befreundeten Künstlern oder ihrer Mitbewohnerin Ivana Gvozdenovic. Die Grafikerin studiert an der ZHdK. «Ihr haben wir die Details in der Wohnung zu verdanken», sagt Johanna. Auf den Regalen stehen verschiedene Dekofiguren, beim Sofa wachsen viele Pflanzen.

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«Manchmal frage ich mich, wie es wohl mit Kindern wäre», sagt Johanna. Vermutlich müssten sie und ihr Mann sich dann für einen festen Wohnort entscheiden. Doch auch wenn sie ihre Familie auf dem Land gründen würden, würden sie ihre Freunde nicht missen wollen. «Das Haus in Schwändi ist gross genug für eine WG», sagt sie. «Das ist eigentlich auch der Plan.»

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Denn Johanna liebt es, ihren Alltag mit vielen Menschen zu gestalten. «So kann man sich die verschiedenen Aufgaben teilen: Einer übernimmt das Kochen, der andere die Reparaturen.» Und was sind Johannas Stärken? «Ich kann gut vermitteln», sagt sie, lacht und ergänzt: «Doch zum Glück muss ich das hier nicht oft tun.»

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