Menschen & Leben | Parents We Love

Von Selbständigkeit, Stil und Struggeln

Fotos: Vanessa Bachmann

Sara Hurler hat 2015 einen Kindermöbel-Laden übernommen und ihn zu einem der inspirierendsten Online- wie auch Offline-Stores der Schweiz gemacht: My Snowflake. Dies unter erschwerten Umständen – mit beiden Kindern war sie längere Zeit im Krankenhaus. Wie sie mit Freud und Leid der Selbständigkeit umgeht, hat sie uns im grossen Interview erzählt.

Oh Gott, ist das schön bei dir. Wie im schönsten Kids-Interior-Instagram-Account.

Hand aufs Herz: Es sieht nicht immer so aus hier. Ich versuche zwar immer Ordnung zu halten, weil es mir dann besser gefällt und ich mich auch gleich viel wohler fühle, aber ich schaffe es nicht immer alles so zu haben wie auf den Fotos. Ich liebe es, wenn es zu Hause aufgeräumt ist, aber sind wir ehrlich: Man lebt ja schliesslich in seinem Zuhause und das darf man auch sehen oder?

Man merkt: Du legst Wert auf schöne Dinge. Die möchtest du dann wohl ebenso schön drapiert und arrangiert haben. Geht das mit Kindern?

Sagen wir es so: Das schön Drapierte hält einfach nicht für die Ewigkeit, aber das ist auch okay. Umso mehr freue ich mich, wenn ich es mal wieder geschafft habe es «schön» zu machen.

image
image

Hattest du schon immer ein Auge fürs Detail? Für die richtige Kombination?

Ich denke, ich habe ein ganz gutes Gefühl für Formen und Farben. Das hat mir auch schon immer sehr viel Spass gemacht, dieses Kombinieren, Arrangieren und Einrichten. Ich war schon immer gerne kreativ und einiges besser in Kunst als in Mathematik.

Und obschon oder gerade weil dem so war, hat My Snowflake das Licht der Welt erblickt?

Die Idee, mich selbständig zu machen, schlummerte schon lange in mir. Meine Eltern waren selbständig und ich fand das immer toll. Nach vielen Jahren in der Modebranche hatte ich auch grosse Lust auf etwas Neues. Da war einerseits meine Begeisterung für Living und Lifestyle, ganz besonders für den skandinavischen Stil und andererseits der Drang, etwas eigenes zu haben. Als mein Mann Tom und ich 2015 die Chance bekamen, einen kleinen Kindermöbelladen in Zürich zu übernehmen, mussten wir nicht lange nachdenken und griffen zu. Das Geschäft hiess damals Snowflake Childrens Decor. Wir haben dann My Snowflake daraus gemacht und dem Namen ein modernes Logo gegeben.

Luis wurde dann in der 34. Schwangerschaftswoche geboren und musste noch 5 Wochen auf der Frühchen-Station bleiben.

image
image

Kooperation

Bei Tadah dreht sich alles um die Vereinbarkeit – im Online-Magazin mit spannenden Interviews mit Eltern und im ersten Schweizer Coworking Space mit Kinderbetreuung. Ob mit oder ohne Kind – schaut doch vorbei auf tadah.ch. Oder direkt im wunderschön eingerichteten Space in Zürich Albisrieden.

Das klingt danach, als ob alles am Schnürchen lief?

Wir haben mit My Snowflake im Mai 2015 gestartet, da war ich gerade mit meinem ersten Kind schwanger. Geburtstermin war im August und wir dachten, das bekommen wir schon hin. Leider wurde ich ungefähr vier Wochen nach Übernahme wegen eines verkürzten Gebärmutterhalses ins Spital eingewiesen. Alle Spitäler in und um Zürich waren belegt, so bin ich nach Luzern gekommen. Luis wurde dann in der 34. Schwangerschaftswoche geboren und musste noch 5 Wochen auf der Frühchen-Station bleiben. Ich hatte dort ein Zimmer im Ronald Mc Donald Familienhaus ganz nah beim Spital, so konnte ich so oft wie möglich bei ihm sein. Das war eine harte Zeit für uns. Unseren Hund Bruno gab es damals auch schon und Tom wurde ins kalte Wasser geschmissen und musste so gut wie es ging alles allein unter einen Hut bringen.

image

Und als du wieder daheim warst und einsatzbereit, wie hast du Dich da organisiert mit Luis? 

Ich habe ihn einfach mit in den Laden genommen. Wahrscheinlich ist er deshalb so ein offener und kontaktfreudiger Junge. Als es dann nicht mehr so gut ging, haben wir samstags einen Babysitter organisiert und mit 13 Monaten ist er zusätzlich für zwei Tage in die Kita gegangen.

Es gibt soviele Kinder Concept Stores. Und trotzdem hast Du es geschafft, My Snowflake einzigartig zu machen. Wie?

Wir sind ein stationärer Fachhandel mit 400 Quadratmetern Store und Onlineshop, dazu sind wir auch sehr auf den sozialen Medien präsent. Diese Kombination gibt es nicht so oft. Man kann bei uns vor Ort in Zürich die Produkte entdecken und sich beraten lassen. Etwas, das nach wie vor geschätzt wird. Um sich im Kinder-Concept-Store-Dschungel bemerkbar zu machen, muss man sich auch fokussieren, sich spezialisieren. Das haben wir getan: Wir sind auf qualitativ hochwertige, einzigartige Kindermöbel, Accessoires, Kinderwagen und Autositze spezialisiert – allesamt mit schlichtem, funktionalem Design. Bei uns gibts von der Babyausstattung bis zum Juniorzimmer alles aus einer Hand. Mit guter Beratung und schneller Lieferung.

Manchmal muss ich schon etwas schmunzeln, wie schnell die Mitbewerber dieselben Marken in ihrem Portfolio haben.

Anzeige

image
image

Auch das nordische Design hat nunmehr in vielen Stores Einzug gefunden. Das stellen wir uns nicht so einfach vor, sich hier zu behaupten?

Ist es auch nicht immer: Der Markt ist hart umkämpft, besonders in der Schweiz. Und ja, manchmal muss ich schon etwas schmunzeln, wie schnell die Mitbewerber dieselben Marken in ihrem Portfolio haben. Daher bin ich immer auf der Suche nach neuen Marken mit einer einzigartigen und einer authentischen Geschichte. Wir hatten von Beginn an Marken wie Cam Cam, Sebra, Liewood und Konges Slojd und vor allem Oliver Furniture, einer meiner Lieblingsmarken im Sortiment. My Snowflake und auch die Marken, die bei uns vertreten sind, sind durch diese Skandinavien-Trend-Welle gleichzeitig sehr schnell gewachsen. Es ist toll zu sehen, wie wir uns zusammen mit unseren Lieferanten entwickelt haben. Ebenso toll ist auch, dass wir mit vielen Marken einen sehr engen Kontakt haben. Und genau darauf kommt es ja an, auch im Business: auf Seil- und Partnerschaften.

Eure Kindermöbel sind sehr hochwertig – und auch im Preis nicht gerade günstig. Wieso soll man sich etwas Teures kaufen, dass man doch nicht so lange braucht?

Die Kindermöbel haben eine lange Lebensdauer, meist kann man sie erweitern und somit für einen langen Zeitraum benutzen oder an Geschwister oder Generationen weiterreichen und sogar noch im Erwachsenen-Alter nutzen. Aus einer Wickelkommode wird eine hübsche Kommode für das Wohnzimmer. Aus einem Einzelbett ein Etagenbett für zwei Kinder, so ist man immer sehr flexibel. Und was man nicht vergessen darf: diese Möbel haben einen sehr hohen Wiederverkaufswert. Alles in allem ist ein hochwertiges Kindermöbel deshalb auch nachhaltig, weil es eben nicht nach fünf Jahren in der Verbrennung landet.

Nachhaltigkeit ist also ein Thema?

Ja. Ich lege grossen Wert auf Nachhaltigkeit. Wir achten auf eine nachhaltige Produktion bei unseren Produkten, wenn immer möglich in Europa. Auch sichere und unbedenkliche Materialien sind ein westlicher Punkt bei der Auswahl unserer Partner und derer Produkte. Durch die lange Nutzungsdauer der Möbel wird auch die Abfallmenge verringert.

Ich lag also ab der 28. Schwangerschaftswoche im Unispital. Das war kurz vor Weihnachten und hat mich sehr beelendet.

image
image

Wann bist du gestruggelt mit Kind und Karriere?

Everyday würde ich sagen. Ich bin immer erreichbar und viel am Mobiltelefon, aber gleichzeitig muss ich auch für meine Kinder da sein.

Du bist ja mittlerweile Mama von zwei Kindern. Wurde dann alles schwieriger, unter einen Hut zu bringen?

Beim zweiten Kind hat man während der Schwangerschaft eine Plazenta Praevia bei mir festgestellt. Da sitzt die Plazenta direkt am Muttermund und es kann zu einer plötzlichen, schweren Blutung kommen. Ich lag also ab der 28. Schwangerschaftswoche im Unispital. Das war kurz vor Weihnachten und hat mich sehr beelendet.

Tom ist ein toller Papi und Rudelführer. Nicht nur für unseren Hund Bruno.

image

Magst du uns darüber erzählen?

Die Adventszeit ist quasi die wichtigste Zeit im Ladengeschäft. Aber schlimmer war: Die Adventszeit ohne meinen Luis und den Rest der Familie verbringen zu müssen – also kein gemeinsamer Besuch am Weihnachtsmarkt und nicht gemeinsam Guetzli backen. Luis war einen Tag mehr in der Kita und bei der Tagesfamilie, er hat das so toll gemeistert. Unser Anton ist dann in der 32. Schwangerschaftswoche per Notkaiserschnitt geboren. Zum Glück war er wie schon unser erster Sohn gesund und musste nur noch etwas «wachsen und sich entwickeln». Er lag fünf Wochen auf der Frühchen-Station. Luis war also weiterhin mehr betreut und ich habe viel Zeit im Unispital bei dem Kleinen verbracht. Nebenbei habe ich versucht, das Team zu unterstützen und den Einkauf für My Snowflake aufrecht zu halten. Zum Glück kann ich mich in diesen Zeiten voll auf meinen Mann Tom verlassen.

Dein Fels?

Ganz ehrlich: Ohne Tom ginge das alles gar nicht. Nicht nur, dass er ein sehr wichtiger Partner im Geschäft ist, er kümmert sich um Finanzen und managt das ganze Lager und viel andere Dinge. Er ist ein toller Papi und Rudelführer. Nicht nur für unseren Bruno.

image
image
image

Was macht Selbstständigkeit mit einer Beziehung? Und worauf muss man achten, dass sich nicht nur immer alles ums Geschäft dreht?

Das Gute ist: Wir arbeiten schon sehr lange zusammen und haben uns so kennengelernt. Tom und ich waren jahrelang in einem Team bei Hugo Boss. Bei My Snowflake haben wir die Bereiche getrennt, aber jeder fragt den anderen nach seiner Meinung, auch bei einfachen Dingen. Aber ja, es gibt keinen Tag, an dem es sich mal nicht ums Geschäft dreht und wir sind 24/7 für unsere Mitarbeiter erreichbar.

Was rätst du anderen selbständigen Müttern und Vätern?

Schwierig ... Selbständigkeit bedeutet halt wirklich selbst und ständig. Die Balance macht es aus. Ich selber wünsche mir bald mal meinen Ausgleich beim Yoga wieder zu finden.

«Wann spielst du endlich mit mir und legst den Laptop weg?»

image

Liebe Sara. Plagt Dich manchmal das schlechte Gewissen, eben weil selbst und ständig?

Ja, natürlich. Ganz besonders, wenn Luis zum xten mal zu mir sagt: «Wann spielst du endlich mit mir und legst den Laptop weg?» Da meine Eltern in Stuttgart leben und die meines Mannes in Rosenheim bei München, hab ich keine Verwandten um die Ecke, die mir mal für ein paar Stunden helfen könnten, damit ich arbeiten kann. Also klappe ich daheim halt oft den Laptop auf, wenn die Kinder hier sind. Ich arbeite an dieser Work-Life-Balance und es gibt Tage, da klappt es gut. Und dann gibt es halt wieder Tage, an denen ich weiss, dass gerade etwas nicht richtig läuft – und ich klappe den Laptop wieder zu.

Das Interview mit Sara Hurler erschien ursprünglich im Online-Magazin Tadah.

Anzeige