«Hostiles»: Ritt ins Herz des Wilden Westens
In «Hostiles» wird zwar viel geschossen, gemordet und skalpiert, aber der Western hat mehr zu bieten als rauchende Colts. Er zeigt auch die Folgen der sinnlosen Gewalt und erzählt eine zutiefst menschliche Geschichte.
Wir haben den Niedergang des Westerns erlebt und auch mehrfache Wiedererweckungsversuche. An seine Beliebtheit der 50er- und 60er-Jahre wird dieses Filmgenre aber wohl nie mehr herankommen. Es kommt nämlich nur noch selten vor, dass wieder mal ein neues Revolver-Epos wie nun «Hostiles» in die Kinos gelangt. Umso mehr sollte man die Chance nutzen, so ein bildgewaltiges Werk auf der grossen Leinwand zu sehen.

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Aber Achtung: Scott Coopers Blick auf den Wilden Westen ist nichts für Zartbesaitete. Gleich am Anfang wird eine ganze Familie weisser Siedler von Komantschen abgeschlachtet. Nur Rosalie (Rosamund Pike), die Mutter, kann rechtzeitig fliehen und sich verstecken. Völlig verstört wird sie von Captain Blocker (Christian Bale) aufgelesen. Das Massaker an ihrem Mann und ihren Kindern bestätigt den Offizier in seinem Hass auf Indianer.
Scott Coopers Blick auf den Wilden Westen ist nichts für Zartbesaitete.

Captain Blocker (Christian Bale) und Rosalie (Rosamund Pike)

Ihre eigenen Kinder konnte Rosalie nicht beschützen, also kümmert sie sich um Yellow Hawks Enkel.

Captain Blocker mit seinen Männern
Ironischerweise sind Blocker und sein kleiner Soldatentrupp gerade dabei, den Cheyenne-Häuptling Yellow Hawk (Wes Studi) und seine Familie in ihr Stammesgebiet in Montana zu bringen. Denn der krebskranke Häuptling möchte auf Heimatboden sterben. Freiwillig hat Blocker diesen Auftrag nicht angenommen. Aber Befehl ist nun mal Befehl.

Wie so oft in Filmen steht die äussere Reise auch für eine innere Reise. Blocker macht dabei den grössten Wandel durch. Das tagelange Zusammensein mit der Cheyenne-Familie öffnet ihm nicht nur die Augen für die Würde dieser Indianer, sondern auch für ihren Kummer. Denn die Cheyenne haben im Krieg gegen die Weissen genauso viele Angehörige und Freunde verloren wie Blocker selbst. Sie alle, die zusammen unterwegs sind, sind traumatisiert.

«Hostiles» schildert also, wie aus dem verbitterten Indianerhasser und tumben Befehlsempfänger Blocker langsam wieder ein humaner und selbstbestimmter Mensch wird. Christian Bale spielt diese Verwandlung blendend mit einer Art Staunen über sich selbst. Natürlich hat auch die schöne Witwe Rosalie Einfluss auf den Captain. Denn die Möglichkeit, diese Frau zu beschützen, weckt ungeahnte Eigenschaften in Blocker, die lange verschüttet waren.

Unterwegs mit dem Häuptling Yellow Hawk (Wes Studi)

Christian Bale glänzt als Captain Blocker.
«Die amerikanische Seele ist in ihrer Essenz hart, isoliert, stoisch und mörderisch. Sie ist bisher noch niemals aufgetaut.» Dieses Zitat des englischen Schriftstellers D. H. Lawrence wird dem Film vorangestellt. Doch dann ist es fast so, als möchte der Film sagen: «Aber es gibt Ausnahmen.»
«Die amerikanische Seele ist in ihrer Essenz hart, isoliert, stoisch und mörderisch. Sie ist bisher noch niemals aufgetaut.»
D. H. Lawrence

Captain Blocker beginnt, Häuptling Yellow Hawk zu respektieren.

Captain Blocker weit weg von seinen Vorgesetzten

Cheyenne-Häuptling Yellow Hawk und Elk Woman (Q’orianka Kilcher)
Man muss nicht unbedingt ein Western-Fan sein, um «Hostiles» etwas abgewinnen zu können. Das Drehbuch von Scott Cooper und Donald E. Stewart ist gelungen, die Schauspielleistung des ganzen Ensembles überzeugt, und die Aufnahmen des Kameramanns Masanobu Takayanagi sind grossartig. Warum also nicht wieder mal für einen Film ins Kino gehen, der nicht auf einer Comicvorlage basiert?
Reto Baers Bewertung
