Menschen & Leben | Besondere Berufe

«Ich bin immer abrufbar»

Zürcher:innen mit besonderen Berufen: Butlerin Julia Brinkmann arbeitet für Superreiche aus der ganzen Welt. Dass sie einigen von ihnen gar die Schuhe binden muss, ist für die Wahlzürcherin kein Problem. Mit uns hat sie über die schrägsten Erlebnisse mit ihren Kund:innen und ihre harte Ausbildung gesprochen.

Wer «Butler» hört, denkt sofort an einen Mann. Mitte 50, schwarzer Anzug, weisse Samthandschuhe, glatt gestrichenes Haar und stoische Miene. So gar nicht zu diesem Bild passt Julia Brinkmann. Seit 2012 ist sie Butlerin. Sie arbeitet in den Häusern und auf den Yachten der Superreichen.

«Auch der Butlerservice muss mit der Zeit gehen, finde ich. Früher war es so, dass Butler nur Männer waren. Sie überwachten und koordinierten die Zimmermädchen und das komplette Servicepersonal. Heute ist der Butler oder eben die Butlerin eher Familienassistent*in. Man richtet sich nach dem Tagesablauf der Familie und kümmert sich um deren Wohnsitz, Inventar und Belange. Das kann eine Frau genauso gut wie ein Mann.»

«Drei Stunden Schlaf pro Nacht sind schon viel.»

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Julia stammt ursprünglich aus Deutschland, wo sie eine Ausbildung zur Hotelfachfrau gemacht hat. Der High-Class-Sektor faszinierte Julia ungemein. Sie liebt es, Ordnung und Struktur in das Leben anderer Menschen zu bringen. Deshalb arbeitete sie jahrelang unter anderem in Hotels in St. Moritz und Arosa, aber auch auf Kreuzfahrtschiffen und Yachten. Sie war sogar ein Jahr im Königreich Bahrain und arbeitete dort in einem Luxushotel. Danach zog es sie in die Niederlande, wo sie eine der besten Butlerschulen weltweit besuchte.

«Ohne Referenzen oder eine richtige Ausbildung ist es schwierig, eine Stelle in Privat- oder Königshäusern zu bekommen. Deshalb habe ich mich für die Schule in den Niederlanden entschieden. Die Ausbildung dauert zwar nur zwei Monate. Sie ist jedoch sehr hart: Drei Stunden Schlaf pro Nacht waren schon viel.»

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Über 14 000 Franken bezahlte Julia für die Butlerlehre. Während der Ausbildungszeit leben die Schüler*innen gemeinsam mit ihren Lehrer*innen in einem Schloss. Dabei folgt der Unterricht dem Prinzip «Learning by Doing».

«Die Lehrer*innen sind quasi deine Arbeitgeber. Frühmorgens, bevor der Unterricht überhaupt losgeht, kümmerte ich mich darum, dass alle Frühstück bekommen. Dann mussten die Schüler*innen den ganzen Haushalt machen. Das Anwesen ist 7500 Quadratmeter gross und hat fast 50 Schlafzimmer. Der Theorieunterricht ging dann meistens erst los, wenn alle Aufgaben erledigt waren. Das war meistens nicht vor 22 Uhr. Oft haben wir bis nachts um 3 Uhr Tellertragen geübt.»

«Die Dame hatte fast 400 Pelzmäntel in ihren Schränken.»

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Julia ist heute unter anderem für die katarische Botschaft angestellt. Wenn Regierungsmitglieder aus Katar in die Schweiz kommen – etwa für das Weltwirtschaftsforum – kümmert sie sich um sie. Die Arbeit mit Menschen aus den verschiedensten Ländern sei extrem spannend, erklärt sie. Man sehe Orte, die man sich als «Normalsterblicher» nicht leisten könne. Eine Zeit lang war Julia auch fest bei einer katarischen Familie in der Schweiz angestellt.

«Bei Familien aus dem Nahen Osten ist man als Butlerin eigentlich immer nur für die Damen des Hauses zuständig. Wir hatten Sicherheitsservice, einen Koch, Nannys für die Kinder, zwei Haushälterinnen. Ich war vor allem für die Wäschepflege und die Kleider der Dame verantwortlich. Ich habe oft Tage damit verbracht, Pelzinventur zu machen. Bis zu 400 Pelze musste ich fotografieren, sortieren und zum Beispiel notieren, wann sie das letzte Mal gereinigt worden waren.»

«Manche Arbeitgeber können sich die Schuhe nicht selbst binden.»

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Ältere Butler würden niemals so offen von ihrem Beruf erzählen. Julia findet aber, dies sei in Ordnung, solange sie keine Namen oder Adressen nennt. Sie will alle Seiten des Butlerberufs zeigen. Gerade wenn man mit Gästen aus anderen Kulturen arbeite, müsse man einiges wegstecken können, so Julia. In Ländern aus Nahost habe man als Frau und Europäerin zum Beispiel einen sehr schweren Stand. Dort würden die Männer gar nicht direkt mit Julia reden. Es gibt meistens männliche Berater. Als Butlerin spricht man mit ihnen und diese richten es dann dem Arbeitgeber aus.

«Es ist oft so, dass zum Beispiel arabische Arbeitgeber sich nicht die Schuhe binden können. Seit sie klein sind, haben das Diener für sie gemacht. Als Butlerin muss man auch das tun. Man bückt sich, bindet dem Chef die Schuhe und weiter geht’s. Man muss das manchmal locker sehen, es gehört einfach zum Job.»

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Nur weil Julia in den exklusivsten Häusern ein- und ausgeht und erstklassiger Service ihr Beruf ist, bedeutet das noch nicht, dass sie sich an den Luxus gewöhnt hat. Im Gegenteil. Sie versucht, stets eine Distanz zwischen sich und ihren Arbeitgeber*innen zu wahren. Sie geniesst auch die Zeit ausserhalb der luxuriösen Welt, in der sie arbeitet.

«Ich mag es, in Läden zu gehen, wo wenig Wert auf sowas gelegt wird. In Restaurants finde ich es ziemlich angenehm und erfrischend, wenn da Studenten oder Lehrlinge sind, die mich bedienen. Ganz einfach, ohne viel Schnickschnack.»

«Freizeit oder Privatleben werden geopfert.»

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Wenn man als Butler*in nur für eine Familie arbeitet und bei dieser lebt, richtet sich der gesamte Tagesablauf nach deren Wünschen. Man muss extrem flexibel sein und zum Beispiel mit der Familie in die Ferien reisen, erzählt Julia. Dass man dabei im Privatjet fliegen oder im Bentley fahren könne, sei zwar spannend. Jedoch müsse man dafür andere Dinge opfern. Ein wirkliches Privatleben oder fixe Freizeit hat man nur sehr selten.

«Du weckst morgens die Kinder und machst sie fertig für die Schule. Nebenbei bereitest du das Frühstück vor und fährst dann Chefin oder Chef zur Arbeit. Dann kaufst du ein, machst Lunch für die Kinder. Dazwischen musst du mit dem Hund Gassi gehen und die Wäsche machen oder ein Geschenk für eine anstehende Feier besorgen. Du bist immer abrufbar.»

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Vor einem Jahr hat Julia ihr eigenes Unternehmen «The Butler and the Chef» gegründet. Mit einem befreundeten Privatkoch geht Julia in Privathaushalte und bereitet dort zum Beispiel Dinners, Gartenpartys oder Apéros vor.

«Wir sind jedoch kein Catering, nehmen also keine Kochutensilien mit. Wir liefern den exklusiven Service, bereiten das Menü vor und sorgen für einen luxuriösen Abend. Heute arbeite ich Teilzeit als Butlerin oder Assistentin und die restliche Zeit für ‹The Butler and the Chef›. Das ist ein super Ausgleich und macht extrem Freude.»

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